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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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verbrachte und alles an ihr hängen blieb, meinte sie. Vor allem wegen Nicolas, Sie haben ihn ja kennengelernt, es ist nicht einfach mit ihm. Damals war er fünf, ich war überfordert, das geb ich zu, obwohl Vera das viel zu sehr aufgebauscht hat. Aber wir hätten uns wieder zusammengerauft, bestimmt. Ohne Wintrich wäre alles wieder wie früher geworden.«
    »Glauben Sie wirklich, dass sich die Uhr zurückdrehen lässt?« Photini staunte, wie redselig Bahling plötzlich war.
    »Natürlich. Das sind doch nur Zeiger, Zahlen.« Er tippte auf seine Rolex, das klobige Ding sah echt aus. »Nach der Trennung von Vera war ich für ein paar Jahre in der Schweiz, in den ganz großen Häusern. In diese Zeit fällt auch meine zweite Ehe. Als ich nach Köln zurückkam, haben mich die beiden Jungs mit offenen Armen empfangen, auch Corinne. Nur Vera wollte mich nicht mehr sehen.«
    »Und als Wintrich vor einem Jahr bei ihr einzog, mussten Sie Ihre Hoffnungen endgültig begraben.«
    »Ist mir ein Rätsel, wie er sie rumgekriegt hat. Was hatte er denn zu bieten außer einem Sack voller Probleme?«
    »Kannten Sie ihn?«
    »Ich habe meine Quellen.«
    Es klopfte. Bahling nahm rasch einige Kataloge vom Schreibtisch und ließ sie in einer Schublade verschwinden. Photini hatte die Listen schon beim Eintreten bemerkt. Bordeaux-Weine zu exorbitanten Preisen, drei- und vierstellige Summen.
    Der Chefkoch, hohläugig, desinteressiert, sagte aus, dass er Bahling am gestrigen Abend immer mal wieder gesehen habe, in der Küche und in den Lagerräumen. Um halb zwei hätten sie gemeinsam alle Posten abgenommen und noch einen Cognac getrunken. Seine Spinnenhände flatterten an der karierten Hose auf und ab.
    Photini gab sich damit zufrieden.
    Als Nächstes erschien die Souschefin, herb, übel gelaunt. Ja, der Klaus sei bis halb zwei im Hotel gewesen, manchmal an mehreren Orten gleichzeitig. Zu später Stunde habe er den Zimmerservice überprüft, da müsse man immer hinterher sein, damit die auch spuren – rauchiges Lachen. Sie habe gerade einen Wachteleier-Strudel im Rohr, der dürfe keine Farbe annehmen. Wiedersehen.
    »Reicht das?«, fragte Bahling.
    »Wie ist denn der Weinkeller so ausgestattet?« Photini deutete auf die Stelle, wo die Kataloge gelegen hatten. »Im ›Brabanter Hof‹ haben Sie wohl kaum noch das Publikum für die ganz edlen Tropfen. Was passiert denn mit den alten Flaschen?«
    Erbleichende Preisboxer waren ein seltener Anblick.
    »Die werden alle getrunken«, erwiderte er schnell. »Früher oder später.«
    Photini hatte richtig getippt. Bahling schien sich etwas zu intensiv um die Weinbestände zu kümmern. Wetten, dass er hin und wieder eine Kiste für sich abzweigte und bei Auktionen zu Geld machte?
    »An Ihrer Stelle würde ich den Fusel vielleicht auch verscherbeln, bevor er schlecht wird«, bohrte sie weiter. »Aber Ihre Nebenverdienste interessieren mich nicht. Ich will wissen, was Sie mit Wintrich zu schaffen hatten.«
    Sie ließ ihn über ihre Bemerkung nachdenken und setzte währenddessen die Vernehmungen fort. Ein Tellerwäscher bestätigte ebenfalls Bahlings Alibi, doch seine Angaben waren so vage wie die der Köche. Der Zimmerkellner versicherte immerhin, den Restaurantleiter gegen Mitternacht auf dem Gang im ersten Stock gesehen zu haben.
    »Um eine Bestellung zu kontrollieren«, setzte Bahling hinzu.
    Photini sagte, das sei genug, die Leute durften zu ihrer Arbeit zurückkehren.
    Er gab es telefonisch weiter. Dann setzte er sich zurecht, als fände er seinen Drehstuhl unbequem.
    »Also?«, fragte die Kommissarin.
     
    TOCK-TOCK-TOCK. VERA Bahling klopfte bei Nicolas, dreimal, das Zeichen, dass sie zur Arbeit ging. Schritte auf dem Gang, die Wohnungstür.
    Allein. Thorben war in eine Kneipe verschwunden, zu seinen Freunden. Jetzt war auch Mama weg. Leere Zimmer. Wie er sie hasste!
    Nicolas schlüpfte in seinen linken Trekkingstiefel, dann in den rechten. Band links eine Doppelschleife, dann rechts. Er zog seinen Anorak mit den vielen Taschen an, prüfte, ob sein MP3-Player aufgeladen war, setzte Ohrhörer und seine Strickmütze auf, alles in der üblichen Reihenfolge. Zuletzt die dünnen Handschuhe, um niemanden direkt berühren zu müssen.
    Kontrolle, ob er auch nichts vergessen hatte. Gegenkontrolle. Dann machte er sich auf den Weg.
    Durchs dunkle Treppenhaus, ohne den Lichtschalter zu betätigen. Er brauchte kein Licht. Niemand sollte sehen, wie er in den Schuppen ging und sein Schnitzmesser aus dem

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