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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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war ihm zuzutrauen, dass er Wintrich bei dessen Arbeitgeber angeschwärzt hatte. Einen Nebenbuhler fertigmachen und nicht mehr auf die Beine kommen lassen. Es widersprach zwar dem Plan, die Unterhaltszahlungen für Vera einzustellen. Andererseits war Bahling extrem eifersüchtig, da setzte man alle Hebel in Bewegung in der Annahme, irgendwas würde schon funktionieren. Die Frage war, wie weit er in seiner Eifersucht gegangen war. Sein Alibi taugte wenig, das Personal war ihm verpflichtet. Außerdem konnte er jemanden mit dem Mord an Wintrich beauftragt haben. Bahling war clever, und er hatte die nötigen Kontakte.
    Es war jetzt ganz still in dem Büro. Durch das Fenster im Rücken des Restaurantchefs sah Photini den Innenhof des Hotels. Parkende Autos. In der Dunkelheit glänzten sie wie tote Fische.
    Ihr Blick fiel wieder auf die Bilder an der Wand, auf die drei Kinder. So verschieden sie wirkten, gab es doch eine gewisse Familienähnlichkeit. Die Augenpartie, die Form der Wangen und des Kinns. Bahling erkannte sich bestimmt darin wieder. Empfanden Väter so etwas wie Besitzerstolz, wenn sie ihre leiblichen Nachkommen betrachteten? Suchten sie dabei unwillkürlich nach Hinweisen, dass die Kinder auch wirklich von ihnen stammten? Und wie war das, wenn ein anderer plötzlich die Vaterrolle einnahm? Ein gewisses Misstrauen war da schon nachvollziehbar. Aber Mordgedanken?
    Was das Ganze so schwierig machte: Jede Person aus Wintrichs Umfeld zeichnete ein anderes Bild des Toten. Die Havemann, Vera und Klaus Bahling, Kotissek. Wem hatte er sein wahres Gesicht gezeigt?
    »Angenommen, Sie haben recht«, sagte die Kommissarin schließlich. »Dann frage ich mich, wie Wintrich nach seiner Entlassung an Tabletten kam.«
    »Solche Typen wissen, woher sie ihre Mittelchen kriegen. Das Angebot ist riesengroß. Wenn jemand sich kaputtmachen will, findet er immer einen, der ihm dabei hilft.«
    »Sind das nur Vermutungen oder haben Sie mehr?«
    »Wenn Wintrich Vera rumgekriegt hat, ist ihm alles zuzutrauen.«
    »Geht’s auch weniger emotional?«
    »Vielleicht hatte er einen Dealer, vielleicht war er selber einer und zapfte seinen alten Arbeitgeber an, Kollegen, die mit ihm unter einer Decke steckten. Medikamente, Drogen, wo ist der Unterschied?«
    »Einem Toten kann man vieles anhängen.«
    Bahling nahm Photini eine Weile wortlos ins Visier, seine Kiefer mahlten. »Manche Leute sind wie Fliegenpapier, an denen bleibt jeder Scheiß kleben. Man sollte die Finger von ihnen lassen, irgendwann landen sie sowieso im Abfall.«
    »Wintrichs Freunde denken anders von ihm«, entgegnete Photini. »Auch Nicolas.«
    »Der Junge weiß es nicht besser.«
    »Wie wirkt sich Wintrichs Tod auf Ihr Verhältnis zu Vera aus? Werden Sie ihr helfen, darüber hinwegzukommen?«
    Er stand auf und nickte, wie um einen Entschluss zu bekräftigen. »Lassen Sie mich meine Arbeit machen, und machen Sie gefälligst Ihre. Ende der Plauderstunde.«
    »Irgendetwas sagt mir, dass wir uns wiedersehen.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Photini das Büro und ging Richtung Ausgang. Bahling war ein ziemlicher Kotzbrocken. Er legte es darauf an, verdächtig zu wirken. Seht her, schien das zu bedeuten, ich habe ein prima Tatmotiv, aber niemand kann mir was anhaben.
    Oder war das nur eine Masche? Flucht nach vorn, gewissermaßen. Sich bewusst aufdrängen, damit die Polizei gleich abwinkte?
    Der Oberkellner tauchte so lautlos neben ihr auf, als sei er ein Geist, der zum Hotelinventar gehörte.
    »Sie machen einen ganz schönen Wirbel«, sagte er mit einem feinen Lächeln.
    »Mir würde sonst was fehlen.«
     
    RAUPACH VERSUCHTE ES mit einer Bleistiftzeichnung. Vielleicht war er mehr der graphische Typ. Keine Farben. Die flossen ineinander, vermischten sich. Das konnte er jetzt nicht gebrauchen.
    Menschen zu porträtieren, traute er sich noch nicht zu. Also wählte er ein unbelebtes Motiv. Das Gartenhäuschen der Plavotics, aus dem Gedächtnis.
    Viele Linien. Damit legte er die Umrisse fest, na ja, er deutete sie an, Strichbündel, wie Reisig. Dadurch musste er sich nicht für eine Linie entscheiden. Seine Hand war unsicher.
    Die schlecht beleuchtete Bar, in der er saß und gerade eine Sardinen-Ceviche gegessen hatte, konnte sich auch nicht entscheiden. Mexikanisch, kubanisch, karibisch, das Schild über dem Eingang wurde alle paar Monate ausgewechselt. Hauptsache, der Kaffee war stark und hielt wach, fand Raupach. Er hatte noch einiges vor.
    Seit dem Mord waren neunzehn

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