Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
Vom Netzwerk:
nahm. Seine Sorgfalt verlieh ihm einen geschmeidigen Charme, auf den schon viele harte Jungs hereingefallen waren.
    »Bravo, das hast du fein hingekriegt«, fing er an. »Willst du mich ruinieren?«
    »Ich wusste nicht, dass es so schlimm für dich aussieht.« Raupach wies auf die liegengebliebenen Spielkarten. »Poker ist inzwischen doch Volkssport.«
    »Eben. Die verjubeln ihr Geld alle online. Für mich bleiben nur die traurigen Freaks übrig. Typen, die im Kino gesehen haben, wie man auf einen Schlag Millionär wird. Ab und zu inszenieren wir das hier, für die Kundschaft.«
    »Und wo kriegst du die Million her?«
    »Von der Sparkasse.« Dastmalchian zündete seine Zigarre an. Das Ding begann zu qualmen wie der Kühlturm eines Atomreaktors. »Du kannst dir nicht vorstellen, was diese Halsabschneider an Zinsen verlangen, wenn man sich für eine lumpige Nacht ein paar Bündel Scheine ausleiht.«
    »Dein Publikum war schon mal besser«, sagte Raupach.
    »Meinst du Joe? Der ist harmlos.«
    »Ein Ex-Knacki?«
    »Sind wir das nicht alle?« Ein breites Grinsen. »Warum hast du ihn so hart rangenommen? Du bist doch keiner von den Brutalen.«
    »Man wächst mit seinen Aufgaben.« Raupach ballte seine rechte Hand zur Faust und betrachtete sie eingehend. Er fand diese Geste schrecklich, doch sie passte zu der Rolle, für die er sich entschieden hatte. »So eine Gelegenheit bietet sich selten. Deine Pokerfreunde werden sich hüten, Anzeige zu erstatten.«
    »Wir haben uns wirklich lange nicht mehr gesehen.« Dastmalchian zog seine buschigen Augenbrauen hoch. »Was willst du?«
    »Reden.«
    »Und dafür der ganze Aufwand?«
    »Ich hab Rücksicht auf deinen Ruf genommen. Jetzt gilt dein Etablissement als polizeilich geprüfte Lasterhöhle.« Raupach sah sich um. Wo der Lichtschein der Tischlampen kaum noch hinreichte, an den Wänden, in den Ecken, unter den Fenstern, war das Zimmer so schmutzig und schäbig wie eine alte Abstellkammer.
    »Schon mal was von Telefon gehört?«
    »Dafür wechselst du zu oft deine Handykarte.«
    »Auch wieder wahr«, räumte Dastmalchian ein.
    »Wer von der honigsüßen Frucht des Lotos gegessen, bringt keine Kunde zurück und denkt nicht an Rückkehr.« Der Kommissar sprach langsam und betonte jedes Wort. »Deshalb bin ich hier.«
    »Du hättest Moderator beim Fernsehen werden sollen. Dann könntest du die Leute täglich mit Quizfragen piesacken.«
    »Lotos ist das Stichwort. Du weißt, wovon ich rede.«
    »Ich bin nicht mehr im Drogengeschäft, das sollte sich herumgesprochen haben.«
    »Aber nah dran.«
    »Wir werden alle etwas gesetzter«, wich Dastmalchian weiter aus.
    »Und du hast viele Augen und Ohren.«
    »Willst du mir schmeicheln?«
    »Hab ich das nötig?« Raupach erwartete keine Antwort. Er hatte seinem Gegenüber drei Jahre Einzelhaft verschafft, ohne Kontakt zu den anderen Gefangenen, unter denen zahlreiche Dealer gewesen waren, die Dastmalchian irgendwann übers Ohr gehauen hatte, Hafterleichterung der besonderen Art.
    Dastmalchian war nicht von Raupach geschnappt worden, sondern von einem Team des Drogendezernats. Der Kommissar hatte sich erst nach dem Prozess eingeschaltet und dem Leiter der JVA Ossendorf zu verstehen gegeben, wie nützlich dieser Mann werden konnte, wenn man ihm besondere Sicherungsmaßnahmen angedeihen ließ.
    Das war lange her, Raupach hatte sich mit solchen und anderen Schachzügen ein eigenes Netzwerk aufgebaut. Das war auch nötig in einer Stadt von der Größe Kölns, als Teil eines Polizeiapparats, in dem Rivalitäten, Zuständigkeits- und Kompetenzgerangel seit jeher blühten wie die Schimmelpilze im Keller.
    Dastmalchian hatte sich seither als zuverlässiger Informant erwiesen. Wenn er etwas wusste, was die Bullen interessierte, überlegte er zwar dreimal, ob er es verriet. Aber dann stimmte es auch, zu hundert Prozent. Abgesehen von seinem kleinen Pokerparadies, das er mehr zur Gesichtspflege unterhielt, war er sauber. Seine Einkünfte speisten sich aus mehr oder weniger legalen Deals, Kleinkrediten, Glücksspiel, An- und Verkauf von Autos und Gaststättenbedarf, alles im Rahmen.
    »Zwei Namen«, fuhr Raupach fort. »Der erste: Otto Wintrich.«
    »Nie gehört«, erwiderte Dastmalchian ohne zu zögern.
    »Willst du nicht wenigstens so tun, als dächtest du nach? Sonst kaufe ich dir das nicht ab.«
    »Was meinst du, wie ich mir Namen merke? Ich stelle mir Bilder dazu vor. Wenn jemand mit ›Win‹ anfängt, sehe ich einen vollen Pot, all in, einen Berg

Weitere Kostenlose Bücher