Das geheime Kind
gebrochen?«
»Überschätz dich mal nicht. Meine Nase hält mehr aus als zwei kleine Stupser.«
»Sicher?«
»Das war ’ne echt gute Show. Hat mir geholfen, mich wieder mal wie der letzte Dreck zu fühlen.«
»Ich konnte ja nicht wissen, dass die Drogenfahndung einen verdeckten Ermittler bei Dastmalchian eingeschleust hat«, verteidigte sich Raupach. »Warum eigentlich?«
»Aus demselben Grund, aus dem du wahrscheinlich bei ihm warst. Wir möchten mitkriegen, was hinter den Kulissen läuft.« Kenter nahm einen weiteren Zug, anerkennend betrachtete er den Joint. »Hättest dich in der Zentrale ja vorab informieren können.«
»Leider lässt die Kommunikation zwischen den Dezernaten zu wünschen übrig.«
»Und warum machst du wieder Fußarbeit?«
»Damit ich nicht einroste.«
»Fein, dann können wir ja tauschen. Du gibst mir deinen Chefsessel, und ich überlass dir die Straße. Tob dich mal richtig aus. Wellness-Wochenende für unausgelastete Bullen.«
»Verlockendes Angebot. Irgendwann komme ich drauf zurück.«
»Bist du auf einem Scheißselbstfindungstrip?«
»Immer.«
Raupach fuhr auf den Gürtel und stellte Kenter die gleichen Fragen wie Dastmalchian. Über Otto Wintrich konnte ihm Joe auch nichts sagen, möglich, dass er den Mann irgendwann in Nippes gesehen hatte oder ihm begegnet war, doch namentlich war ihm das Mordopfer nicht bekannt.
Über Milan Plavotic wusste er mehr.
»Der Junge vertickt kleinere Mengen Dope für den Hausgebrauch, ein Zubrot zu seiner Taxifahrerei, das machen viele. Für uns ist das vollkommen uninteressant. Wir haben ein Auge auf ihm für den Fall, dass er zu gierig wird. Aber das habt ihr wohl auch, wenn ich an das Überwachungsteam denke, das seit heute Mittag an seinem Wagen klebt.«
»Wer hat dir denn das gesteckt?«
»Bei uns funktioniert die Kommunikation ausgezeichnet. Und eins kann ich dir sagen: Plavotic braucht nicht mal ’ne Ampel, um eure traurigen Gestalten abzuhängen. Am Steuer ist der ein Ass.«
»Hast du selbst mal was bei ihm gekauft?«
»Spinnst du? Ich rauche nur beschlagnahmtes Zeug, von Onkel Osterloh aus der Asservatenkammer. Man muss aufs Geld schauen.«
Raupach stutzte und fixierte den Joint, von dem nur noch ein Stummel zwischen nikotingebräunten Fingerkuppen übrig war.
»Erwischt!«, rief Kenter und schlug sich auf den Schenkel. »Ich hab den Leiter der Mordkommission drangekriegt!«
»Keine Sekunde hab ich das geglaubt!«
»Blicke lügen nicht. Das verrate ich den Kollegen für die Weihnachtsfeier.«
»Falls wir den Fall bis dahin aufgeklärt haben«, gab Raupach zu bedenken.
»Tut mir leid, dass ich dir nicht weiterhelfen kann. Der Mord an Wintrich ist im Viertel kein Thema, zumindest nicht bei der Klientel, mit der ich so zu tun habe. Und Plavotic traue ich das einfach nicht zu, so was macht der nicht, dafür ist der viel zu brav.«
»Auch nicht im Affekt?«
Kenter legte den Kopf zur Seite. »Im Affekt könnte ich alle möglichen Leute umbringen, bevorzugt Bullen, die meine Nase auf Tischplatten donnern. Normalerweise wärst du jetzt ein toter Mann.«
Raupach überging Kenters Versuch, seine verletzte Männlichkeit wiederherzustellen. »Wenn Plavotic wirklich so brav ist, wie du sagst, warum dealt er dann?«
»Keine Ahnung, vielleicht hat er Schulden.« Kenter überlegte. »Merkwürdig ist das schon. Irgendwie passt es nicht zu ihm. Ich meine, nach außen gibt er den Lederjackenmacho, aber im Grunde ist er nicht der Typ, der jede x-beliebige Gelegenheit ergreift, nur weil ein bisschen Kohle dabei rausschaut. Kommt mir so vor, als hätte Plavotic einen Plan, wenn du verstehst, was ich meine, nichts Illegales, mehr was Privates. Der weiß genau, was er tut.«
»Bei der Befragung im Präsidium heute Morgen wirkte er nervös.«
»Er hat ja auch was zu verbergen.«
»Zumindest haben wir jetzt einen Verdächtigen.«
KENTER STIEG an der nächsten U-Bahn-Station aus. Inzwischen war es kurz nach neun, höchste Zeit für den noch ausstehenden Besuch bei Corinne Bahling. Über Funk erfuhr Raupach von einem Brand in der Merheimer Straße. Der übliche Wochenendwahnsinn.
Auf dem Weg nach Mülheim machte er an einem Kiosk halt und holte sich eine Cola. Er trank das Gesöff in seinem Wagen, nahm kleine Schlucke und dachte dabei über diese Drogengeschichte nach, über das Haschisch am Tatort. Viel zu wenig, um dafür jemanden mit einem Spaten zu töten. Aggressiv machte das Zeug auch nicht, was war bloß mit den Menschen los?
Weitere Kostenlose Bücher