Das geheime Leben des László Graf Dracula
Verdächtigungen des vergangenen Tages gemein und kleinlich aussehen ließ. Mit einem glücklichen Lächeln drehte sie sich zu mir um.
»Ich danke dir«, sagte sie, und ihre Augen sahen mich mit all der Liebe an, die ich mir erhofft habe. Sie ist ganz hingerissen von allem und erstaunlich gebildet, doch ihr Wissen stammt fast nur aus Büchern und Zeitschriften. Später gestand sie mir, daß sie noch nie zuvor in ihrem Leben auf einem Schiff gewesen war.
Die Insel liegt mitten in der Donau, und das Fährschiff fuhr in einem Bogen darum herum, bevor es an einem hölzernen Steg anlegte. Früher hatte der Erzherzog Joseph die Insel privat genutzt, aber vor kurzem war sie in einen Park umgewandelt worden, der gegen Eintrittsgeld für die Öffentlichkeit zugänglich war. Wir schlenderten müßig durch die Alleen, dankbar für den Schatten der Bäume und Laubbogen, über die sich die ersten Rosen rankten. Für meinen Geschmack war der Ort zu sehr herausgeputzt, mit geometrischen Wegen und rechteckigen Blumenbeeten, aber Estelle war entzückt und nannte es den Garten Eden.
Im Restaurant waren Tische ins Freie gestellt, unter Schirmen, um die Gäste vor der Sonne zu schützen. Ich bestellte für uns einen Riesling und vergewisserte mich, daß der Kellner auch verstand, daß er ihn gut gekühlt servieren sollte. Alles Ungarische war von der Speisekarte verbannt.
Anscheinend ist unsere bodenständige Küche für so ein modisches Ausflugslokal nicht fein genug. Der deutsche Einfluß schlägt überall durch.
Folglich aßen wir Wiener Schnitzel, die zäh waren. Aber der Wein war spritzig.
»Schau, er hat die gleiche Farbe wie dein Haar«, sagte ich zu ihr.
Wir lehnten uns in unseren Sesseln zurück und hielten die Gläser gegen das Licht, kosteten das reife, fruchtige Aroma des Weins und überließen uns den zufälligen Begegnungen zwischen Fingern und Handrücken, auf die Liebende sich an öffentlichen Orten beschränken müssen. Ehe ich mich versah, kippte ich uns schon den letzten Rest Wein in die Gläser.
»Ich hatte immer befürchtet, ich würde all dies niemals zu sehen bekommen«, sagte Estelle.
»Oh, es gibt noch viel mehr als das hier«, sagte ich und schwenkte mein Glas.
»Das ist nur der Anfang.«
»Was noch?« fragte sie eifrig.
»Nun, zum Beispiel könnten wir heute im Wilensky dinieren.«
»O ja!«
»Aber zuerst müssen wir ein Kleid für dich finden, das der Gelegenheit angemessen ist.«
Sie langte über den Tisch, um meine Hand zu drücken. »Du bist zu gut zu mir.« In ihren Augen standen Tränen.
»Unsinn, meine Liebe. Für dich ist nichts zu gut.«
Sie war völlig verzaubert. Alles schien möglich, jeder Wunsch erfüllbar.
Aber kurz darauf wurde sie nachdenklich. Sie biß sich auf die Unterlippe.
Dann sah sie mich direkt an, und ich merkte, daß sie den Augenblick für gekommen hielt, mich etwas zu fragen, was ihr schon länger durch den Kopf ging.
Sie beugte sich vor. »Erzähl mir von Paris, László.«
Es war, als hätte eine dunkle Wolke mein Glück überschattet. Was konnte sie bewogen haben, dieses Thema jetzt zur Sprache zu bringen?
»Tja, Paris...« Ich seufzte, als wäre der Klang dieser zwei Silben etwas, das man sich auf der Zunge zergehen lassen konnte.
»Es muß ja so romantisch sein«, wagte sie sich vor.
»Damals war ich Arzt. Und so habe ich die Kehrseite des Lebens kennengelernt. Es war alles andere als eine Vergnügungsreise.«
»Natürlich. Das weiß ich.«
»Aber wie man so sagt, Reisen erweitert den Horizont.«
»Das glaube ich gern.« Sie lächelte höflich, ihre Enttäuschung verbergend.
»Das mußt du doch selbst auf deiner Reise hierher nach Budapest festgestellt haben.«
»Ich möchte überallhin reisen.«
»Aber denk doch nur mal an eine einfache Bahnfahrt – was man da alles für Leute trifft.«
»Ja, sicher.«
Ich ließ den Gedanken in der Luft hängen und blickte scheinbar versonnen in mein Glas, aber meine verdeckte Anspielung schien ihre Zunge nicht zu lockern.
»Ich frage mich, warum du mich dem jungen Mann am Bahnhof nicht vorgestellt hast«, sagte ich schließlich geradeheraus. »Ist es ein Verwandter von dir?«
Sie lachte. »Und wenn er es wäre, würde ich ganz gewiß nicht wollen, daß er dir begegnet, nicht wahr?«
»Nun, das mag wohl sein.«
»Nachdem wir uns solche Mühe gegeben haben, alles so diskret zu arrangieren?« Sie legte die Hand vor den Mund, kicherte und sah sich verstohlen um, als könnten wir belauscht werden.
»Ich
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