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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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will Ihnen natürlich nicht zuviel zumuten.«
    »Ich frage mich nur, ob ich überhaupt noch die nötige Fachkunde besitze. Es ist schon viele Jahre her, seit ich eine Autopsie durchgeführt habe.«
    »Darum möchte ich Sie auch gar nicht bitten«, unterbrach er mich hastig.
    »Außerdem würden die Eltern es nicht zulassen. Ich dachte mehr an eine äußere Untersuchung der Leiche.«
    »Kann das denn zweckmäßig sein?« fragte ich.
    »Sicher kann es das. Es muß. Wir müssen soviel Beweismaterial sammeln, wie es nur gibt. Nur dann können wir die richtigen Folgerungen schließen, um den Fall aufzuklären.«
    Kraus ist ein überspannter Fanatiker, der sein Ziel mit verbissener Hartnäckigkeit verfolgt, und ich sah, daß ich mich der Aufgabe nicht würde entziehen können, wenn ich weiter in die Spurensuche einbezogen bleiben wollte.
    »Lassen Sie uns erst noch das Gelände fertig überprüfen«, schlug ich vor.
    »Ich könnte das Stück vom Weg bis zu dem Baum da hinten absuchen.«
    »Wissen Sie denn, wonach Sie suchen sollen?«
    »Natürlich, nach solchen Fußabdrücken.«
    »Ich dachte, Sie hätten gesagt, die Abdrücke wären nebensächlich.«
    »Ich denke, das werden Sie auch noch feststellen, aber als Wissenschaftler bin ich bereit abzuwarten, ob meine Vermutungen sich bestätigen.«
    Meine Antwort schien meine Glaubwürdigkeit in seinen Augen zu festigen, was mir nur recht sein kann, denn bei all seiner Kauzigkeit sollte ich Kraus nicht unterschätzen. Er versteht sich auf sein Metier, keine Frage, aber weit bedrohlicher für mich ist sein verbissener, geradezu manischer Jagdeifer. Ich muß ihm dicht auf den Fersen bleiben, damit er nicht einmal in die Nähe der Wahrheit vordringt.
    Zu meiner Erleichterung stimmte er meinem Vorschlag zu, den Erkundungsgang fortzusetzen, und die Augen starr auf den Boden gerichtet, zog er in die falsche Richtung los. Es fiel mir nicht schwer, meine Schritte von gestern abend noch einmal nachzuvollziehen. Zu meinem Entsetzen stieß ich schon bald auf deutliche Fußabdrücke, die ich hinterlassen hatte, als ich durch das Unterholz gekrochen war. Doch es war eigentlich nicht mehr nötig, sie zu verwischen; es genügte, sie mit frischen Abdrücken zu umgeben, so daß sie aussahen, als hätte ich sie eben erst gemacht.

    Ich gratulierte mir gerade dazu, die Beweise meiner Gegenwart am Tatort so geschickt entfernt zu haben, als ich Kraus aufgeregt nach mir rufen hörte. Ich bog die Stämme einiger Weidenschößlinge auseinander und schlüpfte in das dunkle Unterholz dicht am Flußufer.
    »Vorsichtig!« rief er gleich darauf.
    »Wo sind Sie?« rief ich zurück. Ich war überrascht, daß er mich sofort gesehen hatte, ich ihn jedoch nicht entdecken konnte, selbst dann nicht, als der Klang seiner Stimme mir seinen Standort anzeigte.
    »Kommen Sie auf den Uferweg!« rief Kraus wieder.
    Ich kämpfte mich durch dichtes Buschwerk, um zum Fluß hin zu gelangen.
    Von dort aus folgte ich dem Weg, der von Zweigen überwuchert war; in Kopfhöhe begegneten sich Birke und Haselnuß, um einen grünen Tunnel zu bilden.
    Ohne Rücksicht auf persönliche Bequemlichkeit oder Würde, geschweige denn auf den Zustand seiner Beinkleider, kniete Kraus in dem Matsch und untersuchte mit Hilfe einer Lupe einen weiteren Fußabdruck.
    »Treten Sie bitte nur in meine Fußstapfen, Graf«, sagte er ohne aufzublicken.
    Ich fügte mich also ins Warten. Nach ein oder zwei Minuten räusperte ich mich, für den Fall, daß er mich vergessen hatte.
    »Ja, ja, Augenblick noch«, knurrte er ungehalten.
    Schließlich richtete Kraus sich auf und starrte grüblerisch in die Ferne. Ich für meinen Teil hatte sofort bemerkt, daß der Abdruck, den er untersuchte, mit jenen am Tatort übereinstimmte. Mehr noch, als ich mich ein wenig bückte, stellte ich fest, daß man von hier aus eine ziemlich gute Sicht auf die Stelle der Lichtung hatte, wo ich Estelle zum letztenmal umfangen hielt.
    »Haben Sie mit Ihrer Lupe irgend etwas Besonderes entdecken können?«
    fragte ich, und es gelang mir gerade noch, den sarkastischen Ton aus meiner Stimme herauszuhalten. Vielleicht hätte ich ihm mein Mikroskop anbieten sollen, das seit den letzten zwanzig Jahren ungenutzt in meiner Bibliothek verstaubt!
    »Tja, wissen Sie, ich habe mal in einer kriminologischen Abhandlung gelesen, man könnte in Fußabdrücken manchmal Spuren von Stoffen entdecken – Ruß zum Beispiel, oder Erdklumpen aus einer anderen Region –, die einem vielleicht Aufschluß

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