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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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die Menschenmenge im Salon, viele verabschiedeten sich schon. Nicole ergriff nur kurz meine Hand und murmelte die üblichen Abschiedsworte, aber ihre Mutter hatte nun, nachdem sie ihren Verpflichtungen als Gastgeberin nachgekommen war, mehr Zeit für mich. Sie sah mich liebevoll und traurig an, während sie meine Hand hielt, und ich glaube, sie mußte an meine arme Mutter und ihr einsames Leben so weit von zu Hause und ihrer Familie denken.
    »Sie müssen uns wieder besuchen, mein Junge«, sagte Aristide und klopfte mir auf die Schulter, als wollte er mir versichern, daß er es ernst meinte. Dann drehte er sich zu Lothar um, der an diesem Nachmittag wie mein eigener Schatten war. »Und wenn Sie sich schon damit befassen müssen, dann kaufen Sie abendländische Handelsgesellschaften. Aber lassen Sie um Gottes willen die Finger von Afrika!«
    Wir gingen zusammen hinaus, und auf dem Bürgersteig wollte ich Lothar zum Abschied die Hand geben, aber er bot mir an, mich in seinem Wagen mitzunehmen. Ein offener Landauer, dessen schwarzlackierte Oberfläche wie ein unheilvoller Spiegel glänzte, wartete am Straßenrand. Der Kutscher stand respektvoll mit der Hand an der offenen Tür da, aber die beiden grauen Wallache scharrten schon unruhig mit den Hufen. Die Vorstellung, daß Lothar mit seiner prächtigen Equipage vor meiner ärmlichen Wohnung vorfuhr, war mir mehr als peinlich.
    »Nein, wirklich, ich muß noch etwas in der Stadt erledigen«, wehrte ich ab.
    »Dann setze ich Sie dort ab.«
    Das konnte ich ihm schwerlich abschlagen und dachte mir eine Besorgung aus, die uns nicht allzuweit von meinem Nachhauseweg wegführte. Ich muß gestehen, daß ich die vorbeistreichende Luft genoß, und auch die Köpfe, die sich auf den Champs-Elysees nach uns umdrehten, wenn wir vorbeifuhren, und ich lehnte mich in der weichen Lederpolsterung zurück, als wäre dies für mich das Selbstverständlichste von der Welt.
    Kurz nachdem wir über den Fluß gefahren waren, stieg ich aus.
    »Wir müssen uns wiedersehen«, sagte Lothar.
    »Bestimmt werde ich Sie bei den Berthiers wiedersehen«, erwiderte ich.
    »Nein, vorher. Sie müssen meinen Schneider kennenlernen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Und dann werden wir unseren Spaß haben.«
    »Aber ich will Ihren Schneider gar nicht kennenlernen.«
    »Aber Sie müssen! Da drüben links. Es ist nicht zu übersehen.« Und damit klopfte er seinem Fahrer auf die Schulter, und die Grauen zogen davon. »Wir treffen uns morgen dort«, rief er mir über die Schulter zu. »Um vier.«
    Lothar ist ein unverschämter, dreister Kerl, den ich einfach gern haben muß. Ich glaube nicht, daß er und Nicole etwas miteinander haben. Sie amüsieren sich gegenseitig. Mehr ist es nicht. Ich würde ihn nicht gerne als Rivalen sehen. Er besitzt so viele praktische Dinge – Geld und gute Karriereaussichten zum Beispiel –, die ich nicht habe und die für Mütter und Väter von Töchtern wichtig sind. Ich denke bereits an eine Liaison mit Nicole, und dabei kenne ich sie kaum! Ich stelle mir so viele romantische Dinge vor, daß ich mir ständig ins Gedächtnis rufen muß, daß nichts von all dem auch nur das geringste mit einer wirklichen Person zu tun hat. (Ist sie wirklich oberflächlich, wie Lothar sagt, oder will er mich nur zu seinem eigenen Vorteil in die Irre führen?) Nicole ist ein Traum. Aber ich fange schon an, mir ein Leben mit ihr in Paris vorzustellen!
    Georg würde mich nicht vermissen. Elisabeth ist eine freundliche und bescheidene Person, aber in den drei Jahren, seit sie mit meinem Bruder verheiratet ist, hatten wir wenig Gelegenheit, uns kennenzulernen. Onkel Kálmán wird einen anderen Jagdgefährten finden – ich hatte in den letzten Monaten sowieso herzlich wenig Zeit dafür. Gregor ist mit den Belangen seiner Kirchengemeinde beschäftigt, und ich habe in letzter Zeit immer weniger von meinem lieben Freund gesehen, mit dem ich in die Schule gegangen bin, und immer mehr von dem strengen Priester, der allmählich an seine Stelle tritt. Es gibt nur wenig in Ungarn, um das es mir leid tun würde, wenn ich dafür Paris haben könnte.

    3

    26.MAI 1866

    ch habe eine Nachricht geschickt, daß ich heute nicht zur Arbeit kommen Ikann. Mein Kopf fühlt sich an, als wäre er letzte Nacht gespalten worden.
    Wenn ich meinen medizinischen Pflichten auch nicht nachkommen kann, so kann ich doch wenigstens in meinem Tagebuch weiterschreiben und versuchen, die störenden Ereignisse von gestern im richtigen Licht zu

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