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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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Richtung warf. Am Ende kamen sie wieder zu mir zurück.
    »Graf!« sagte der Geschäftsführer respektvoll.
    Ich war überrascht und sah fragend zu Lothar, aber der hielt einen Stoff hoch, um auf seiner Oberfläche das Licht einzufangen, und tat, als hätte er nichts mitbekommen.
    »Verzeihen Sie mir, Graf«, wiederholte der katzbuckelnde Kerl beharrlich.
    »Ich hatte bis zu diesem Augenblick ja keine Ahnung!«
    Und ohne weitere Umstände fing er an, bei mir Maß zu nehmen, stieß das Ende seines Meßbands in alle intimen Winkel meines Körpers, bevor ich mich dagegen wehren konnte.

    Ein Assistent kam mit vier Stoffballen im Arm zurück.
    »Mir würde dieser hier gefallen«, schlug Lothar vor. »Er hat den richtigen Ton für die Klientel, die Sie in Ihrer Praxis empfangen werden. All die reichen Damen, denen es nie bessergeht und die immer weiter zahlen und zahlen«, flüsterte er verschwörerisch, als der Geschäftsführer und sein Assistent weggingen, um einen Mantel zu suchen, den sie mir wegen der Rockaufschläge zeigen wollten, die sie für mich im Sinn hatten.
    »Aber das kann ich mir nicht leisten«, sagte ich ärgerlich, schließlich doch gezwungen, meine Armut einzugestehen.
    »Dann zahlen Sie es eben nicht«, sagte Lothar leichthin.
    »Dann lassen wir es bei dieser Scharade bewenden und gehen.«
    »Zuerst noch den Mantel.«
    Der Geschäftsführer und sein Assistent kamen durch den Gang gelaufen und trugen stolz den Mantel vor sich her.
    »Ich dachte, wir wären übereingekommen, daß ich nicht zahle.«
    »Einverstanden. Aber wir können den Mantel doch auf Kredit nehmen.«
    »Niemand gewährt mir Kredit«, erwiderte ich kurz und bündig. »Mich kennt hier keiner.«
    »Sie brauchen nur Ihren guten Namen und elementare Schreibkünste.«
    »Graf«, fragte der Geschäftsführer besorgt, »wären Sie damit zufrieden, oder würden Sie noch etwas schmalere Aufschläge vorziehen?«
    Es war ein wunderbarer Mantel, und in dem Stoff, den Lothar ausgesucht hatte, würde er noch hinreißender sein. Ich war sprachlos.
    »Am Sonntag habe ich den Duc de Beaumont mit etwas Ähnlichem gesehen«, sagte Lothar. »Heutzutage ist es in modischen Kreisen fast unmöglich, Aufschläge zu tragen, die zu schmal sind.«
    »Richtig«, stimmte der Geschäftsführer zu, entzückt, einen Connaisseur vor sich zu haben, mit dem er sich unterhalten konnte.
    »Dann ist es also entschieden?« fragte Lothar.
    »Das heißt... die Seideneinfassungen in Grau oder in Schwarz?« warf der Geschäftsführer ein.
    »In Grau«, sagte ich, von seiner Frage abgelenkt, aber dann wurde mir sofort klar, daß ich mich mit dieser Antwort für den Anzug entschieden hatte.
    »Eine ausgezeichnete Wahl, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Graf«, begeisterte sich der Geschäftsführer.
    »Schlicht, aber mit ein bißchen Angabe«, sagte Lothar. »Und auch sehr nach dem Geschmack von, na, Sie wissen schon«, fügte er mit leiserer Stimme hinzu.
    Er lächelte, als wäre es ihm gelungen, mich über eine unsichtbare Linie zu locken. Mir war ein bißchen übel vor Angst, aber gleichzeitig hatte ich das aufregende Gefühl, als würden wir uns aus der Schule stehlen, um uns einen köstlichen Nachmittag lang dem Müßiggang hinzugeben. Zum Teufel damit, dachte ich.
    Der Geschäftsführer bot mir einen Stift zum Schreiben an. »Wenn Sie so gut wären, hier zu unterzeichnen, Graf. Eine reine Formalität, das kann ich Ihnen versichern.«

    Er schien nervös, daß ich vielleicht beleidigt sein könnte, und es hätte mir gefallen, ihn noch mehr zu foltern und darauf zu bestehen, daß ihm mein Wort genügen müßte. Außerdem wußte ich nicht, welchen Namen ich benutzen sollte.
    Lothars Spiel mitzumachen, um bei einem Kaufmann Ansehen zu erringen, war das eine; aber dann auch tatsächlich mit einem Titel zu unterschreiben, der mir gar nicht zustand, war etwas völlig anderes. Ich schloß einen Kompromiß, indem ich mir etwas ausdachte, das, mit quietschender Feder und vielen Schnörkeln geschrieben, eindrucksvoll sowie völlig unleserlich war.
    Der Geschäftsführer schien hochzufrieden. »Ihr Anzug wird in einer Woche fertig sein«, sagte er.
    »Montag«, korrigierte ihn Lothar in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    »Selbstverständlich, mein Herr, Montag«, sagte der Geschäftsführer und geleitete uns unter Verbeugungen zur Tür.
    Wir waren kaum in den Landauer gestiegen, als der Fahrer auch schon die Peitsche über den Pferden schwang, und dann fuhren wir mit

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