Das geheime Leben des László Graf Dracula
Art verführte, hatten mich völlig enthemmt.
Ich wachte mit einem seltsamen Gefühl auf und wußte eine Weile gar nicht, ob ich wirklich aufgewacht war oder ob ich träumte. Ich war mit dem Gefühl eines sexuellen Höhepunkts aus dem Schlaf gerissen worden. Es erscheint einem vielleicht als etwas Köstliches, auf diese Art den Tag zu beginnen, aber in Wirklichkeit war es sehr störend, genau in diesem Zustand der Selbstlosigkeit aus tiefem Schlaf zu erwachen und an die Oberfläche zu gelangen.
Ich muß einen Schrei ausgestoßen haben, denn Elisabeth, die rittlings auf mir saß und sich anscheinend selbst in ihren letzten Agonien befand, legte ihre Hand auf meinen Mund, um den Ton zu ersticken. Wie zu einem Tableau erstarrt lagen wir da, mit immer klarerem Blick, während ich die Situation zu begreifen begann und Elisabeths Entsetzen stetig wuchs, als sie mich wach werden und auf meinem Gesicht Verstehen heraufdämmern sah. Schließlich nahm sie die Hand von meinem Mund und rückte mit soviel Geschick, wie sie es vermochte, von mir herunter. Sie war verletzt vor Scham, weinte aber nicht. Ich nehme an, ich hatte sie in flagranti ertappt; Gregor hat mir gesagt – und ich nehme an, sie hält sich an seine Doktrin –, daß Wollust auch im Ehebett Unzucht bedeutet.
Sie hatte sich umgedreht und saß mit dem Rücken zu mir auf der anderen Seite des Bettes.
»Du mußt jetzt gehen«, sagte sie. »Bald werden die Diener aufstehen und überall sein.« Wie sittsam sie ist, daß sie sich Sorgen macht, die Diener könnten herausfinden, daß ihr Herr und ihre Herrin die Nacht zusammen verbracht hatten!
»Ja, natürlich«, erwiderte ich mit sachlicher Stimme. Wie immer waren wir sprachlos.
Ich richtete mich im Bett auf und stieg schon hinaus, als sich Elisabeth leise umdrehte, und flink wie eine Katze (eine weitere erstaunliche Fähigkeit von ihr, von der ich nichts gewußt hatte) ergriff sie mit einer impulsiven, zärtlichen Bewegung mein Handgelenk, als wollte sie mich vom Gehen abhalten. Dann zog sie ihre Hand schnell wieder zurück, aber bevor sie sich abwenden konnte, sah ich auf ihrem Gesicht den Ausdruck von so großer und schutzloser Glückseligkeit, daß ich zugeben muß, sie trotz all meiner vorbeugenden Maßnahmen und strikter Gefühlshygiene mit dem unangenehmsten und dem am meisten verletzenden Bazillus infiziert zu haben: der Liebe.
9
28. MAI 1887
ch bin völlig durcheinander. Ich bin fünfzehn Jahre alt. Ich bin ein Hengst, der Iin der Brunst den wahnsinnserregenden Geruch einer Stute riecht, die zwei Meilen entfernt auf einer Weide grast. Nichts entstellt die Intelligenz eines Mannes so sehr wie die Liebe, der gleich die sinnliche Begierde folgt. Ich kann kaum denken, ohne zu fühlen, wie diese absurde Schwellung in meinen Breeches ihren monströsen Kopf erhebt. Ich habe nichts aus meinem Leben gelernt, denn ich bin noch immer der Sklave meiner Leidenschaft.
Ich denke Tag und Nacht an Estelle. Meine Phantasie ist wie eine Linse, die die Sonnenstrahlen zu einem feurigen Punkt bündelt, gerichtet auf einen winzigen Leberfleck an ihrem Hals, direkt unter dem linken Ohr. Warum sich meine Gedanken an diesem erotischen Talisman festhalten, weiß ich nicht. Er ist ein Zielpunkt des Verlangens.
Aber ich weiß bis jetzt noch immer nicht, wie ich mich ihr erklären soll.
Vielmehr habe ich mir schon tausend Pläne ausgedacht, wie ich mich an sie heranmachen kann, die ich aber alle als riskant, unverschämt, anmaßend und dreist wieder verworfen habe. Nicht, daß sie mir irgendein deutliches Zeichen des Interesses hätte zukommen lassen. Aber warum sollte ich erst darauf warten? Ich sollte den Augenblick nutzen und zugreifen. Was soll denn das für ein Liebhaber sein, der sich so leicht entmutigen läßt? Sicher, als ich ihr am Ende der Theatervorführung das Bouquet überreichte, war sie außerordentlich überschwenglich, aber vielleicht war das nur die Nachglut von dem Applaus.
Sicher, das Herunterfallen ihres Gebetbuches genau im selben Augenblick, als ich vorbeikam, sollte dazu dienen, sich bei mir wieder in Erinnerung zu bringen.
Und habe ich es mir etwa nur eingebildet, daß sie mir mit den Fingerspitzen über den Handrücken gestrichen hat, als ich es ihr zurückgab?
In den seltenen Augenblicken von Objektivität muten diese Fragen absolut kindisch an. Können das wirklich Gedanken sein, mit denen sich ein vierundvierzig Jahre alter Mann beschäftigt? Die Geburtstagstorte verschafft mir einige
Weitere Kostenlose Bücher