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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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1887

    Unter dem Vorwand eines fiktiven Treffens der Liga bin ich wieder in Budapest, um den Brief auf die Post zu geben, den Estelle umsichtig in das Päckchen mit dem Mandelkuchen gesteckt hatte. Ich nahm die Gelegenheit wahr, um Möbel für die Wohnung zu bestellen, einschließlich eines großen mit Putten und Weintraubendolden geschmückten Bettes. Ich gebe zu, daß ich mich ziemlich extravagant fand.
    Ich hatte mich mit Wlassics in der Wohnung verabredet, und als ich eintraf, wartete er bereits, um mir ein paar Dinge bezüglich des Hauses zu erklären. Ich hörte gar nicht richtig hin, außer daß mir auffiel, wie er immer weiter sprach, Einzelheiten beschrieb, mit denen ich mich nie befaßt hätte, und mir kam der Gedanke, daß er mir vielleicht etwas mitteilen wollte. Ziemlich ungeduldig schob ich ihn zur Tür. Er zögerte, als er den Schlüssel in meine ausgestreckte Hand legte.
    »Ich hoffe, Sie werden sich hier wohl fühlen, Herr Graf«, sagte er.
    »Daran habe ich keinen Zweifel«, erwiderte ich und machte die Tür auf, damit er endlich ging.
    »Sie können sich voll und ganz auf meine Diskretion verlassen«, sagte er mit einem bedeutungsvollen Blick, den ich ignorierte.
    »Natürlich.«
    »Und wenn ich Ihnen einmal auf irgendeine Weise helfen kann, werden Sie hoffentlich nicht zögern, es mich wissen zu lassen.«
    »Sie waren mir eine große Hilfe, Herr Wlassics. Ich werde jetzt Ihre kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
    Er ging ohne einen weiteren Kommentar, aber ich hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. War dieser Bursche auf ein Trinkgeld aus gewesen? Bestimmt nicht, da er vom Hauseigentümer eine Kommission bekommen hatte. Oder hätte ich seine Absichten der Anspielung auf »Diskretion« entnehmen sollen? Wollte er mich erpressen?

    Irgend etwas tut sich um mich herum, jedenfalls kommt es mir so vor. Heute morgen schien die Sonne strahlend vom blauen Himmel, so daß ich beschloß, vom Bahnhof zu meiner Verabredung mit Wlassics in der Wohnung zu Fuß zu gehen. Ich sagte dem Gepäckträger, daß er meine Reisetaschen in ein Taxi stellen und dem Fahrer Anweisungen geben sollte, sie im Hotel abzuliefern. Ich hatte gerade die Straße überquert, als ich mich an das Jagdmesser im Gepäck erinnerte, dessen Griff abgebrochen war und das ich zur Reparatur in einen Laden hatte bringen wollen, der auf dem Weg zur Wohnung lag. Aber als ich mich umdrehte, sah ich einen Mann in ein Gespräch mit dem Taxifahrer vertieft.
    Bevor das Taxi mit meinem Gepäck, das unangetastet auf dem Rücksitz lag, davonfuhr, gab der Mann dem Taxifahrer eine Münze. Es geschah alles so schnell, daß ich gar nicht dazu kam, über die Straße zu gehen. Der Kerl drehte sich schnell um, als er sah, daß ich ihn beobachtete, so daß ich sein Gesicht nicht sehen konnte, und ging eilig davon. In dem Gewühl vor dem Bahnhof hatte ich ihn bald aus den Augen verloren.
    Wenigstens glaubte ich, daß es so gewesen war. Ich weiß nicht, ob das Gespräch der beiden wirklich etwas mit mir zu tun gehabt hatte. Allerdings sah ich später, als ich an der Tür stand und mich bemühte, Wlassics zum Gehen zu bewegen, einen Mann an dem Eisengeländer lehnen, das rund um den Platz verläuft. Er las eine Zeitung – eigentlich keine besonders verdächtige Beschäftigung, aber warum tat er es genau an dieser Stelle, wo es doch auf einer der Bänke viel bequemer gewesen wäre? Nachdem Wlassics weg war, ging ich nach oben, um mir den Mann von dort aus besser ansehen zu können, aber er hatte seine Zeitung schon zusammengefaltet und schlenderte in der gleichen Richtung davon, in die auch Wlassics gegangen war. Was hat das zu bedeuten?
    Wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein. Meine Nerven sind gereizt, die Folge sexueller Anspannung und übertriebener Phantasievorstellungen. Ich komme nicht zur Ruhe, bis ich Estelle nicht wirklich und wahrhaftig in den Armen halte.

    27. JUNI 1887, NACHT

    Ich schreibe dies, während ich neben dem offenen Fenster sitze, das auf den kleinen Park vor dem Haus hinausgeht. Am Himmel ist der Mond aufgegangen, und die ganze Stadt schläft. Ab und zu kommt eine leichte Brise auf, die die Lindenblätter auf eine wunderbare Weise zum Rascheln bringt.
    Ich habe, was ich mir wünsche. Nebenan, im Schlafzimmer in dem großen Bett, in Tücher gehüllt wie ein Tiepolo-Engel, wirft sich Estelle unruhig im Schlaf hin und her. Ich beobachte das regelmäßige Heben und Senken ihrer Brust, höre ihre seufzenden Atemzüge. Ich

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