Das geheime Leben des László Graf Dracula
ein Hokuspokus. Meine größte Sorge ist, daß es mir nicht gelingt, während der Vorgänge ein ernstes Gesicht zu bewahren.
Ich habe die traditionelle ungarische Uniform angelegt, und nicht Gehrock und Zylinder, meine übliche Kleidung, wenn ich nach Budapest fahre. Ich hasse die Aufmachung und trage sie nur selten, außer zu feierlichen Anlässen. Im Sommer sind die Pelze verdammt ungemütlich, und die Farben der Seidenbesätze erinnern mich an nichts anderes als an ein Narrenkleid.
Allerdings rufe ich mir ins Gedächtnis, daß es ja nur ein Mittel zum Zweck ist, und außerdem muß ich zugeben, daß meine Kleidung bei den sonst so mürrischen Eisenbahnangestellten und auch bei den Hoteldienern einen gewissen Eifer weckt, mich zufriedenzustellen.
Rados Zeremonie findet morgen statt. Inzwischen mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Ort für ein Liebesnest. Aus der Reaktion des Immobilienmaklers, den ich zu Rate gezogen habe, würde ich schließen, daß meine Lage nicht so ungewöhnlich ist.
»Ich suche nach einem pied-à-terre in der Stadt«, erklärte ich ihm. »Nicht allzu ausgefallen.«
»Soll es für Sie selbst sein?«
»Ja«, sagte ich und überlegte, ob ich ihm sagen sollte, daß es für meine Nichte wäre.
»Eine Junggesellenwohnung?« fragte er geradeheraus. Sein Name ist Wlassics. Er ist schmierig und verschlagen und kann mir nicht in die Augen sehen.
»Etwas in der Art«, erwiderte ich. »Vielleicht wird auch meine Frau gelegentlich dort wohnen.«
»Und werden Sie Bedienstete haben, Herr Graf?« Das war etwas, woran ich nicht gedacht hatte. »Oder vielleicht ein Hausmädchen, das Sie von Fall zu Fall engagieren, wenn Sie in der Stadt sind?« schlug er vor, als er mein Zögern sah.
»Das würde durchaus genügen.«
»Wir haben in allen guten Lagen Objekte zu vermieten. Gibt es irgendein spezielles Viertel in der Stadt, an das Sie gedacht hatten?«
»Ich dachte an eine ruhige Gegend. Irgend etwas dicht bei einem Park oder an einem Platz, wo es Bäume gibt, wäre schön.«
»Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen, Herr Graf. Genau so etwas haben wir in der Maria-Theresia-Straße. Das Gebäude ist ziemlich abgeschieden und absolut diskret.«
Wenn man es mit einem Kuppler zu tun hat, ist man dankbar, in allgemeinen Wendungen sprechen zu können und nicht exakt ausdrücken zu müssen, was man will, aber es ist eine unangenehme Situation, es mit einem Fremden zu tun zu haben, der aus den intimen Angelegenheiten anderer für sich einen Vorteil schlagen will. Ich mache mir wegen eventueller Erpressungen Sorgen. Aber ist das denn überhaupt ein Grund zur Sorge? Alle tun es! Jedenfalls in Paris.
Die Wohnung liegt im zweiten Stock, und man sieht von ihr in die Kronen der Lindenbäume, die den Platz umsäumen. Sie ist ruhig und diskret, wie Wlassics versprochen hatte, und hat Morgensonne. Ich habe sie für ein ganzes Jahr genommen. Kann die Affäre so lange dauern? Ich habe sie noch nicht einmal angefangen, und schon denke ich an ihr Ende. Das kommt, weil ich mir wegen möglicher Verwicklungen Sorgen mache. Wenn es mit uns nicht klappt, kann ich sie dann einfach zu ihren Eltern zurückschicken? Ich bin zwar von ihr hingerissen, aber ich weiß, daß früher oder später einer von uns den anderen langweilen wird. Ich fürchte mich genausosehr vor ihrer Macht über mich wie auch davor, daß sie von mir abhängig wird.
NACHT
Wie beim letztenmal führte mich der Diener in Rados Arbeitszimmer. Der Oberst trug die volle Regimentsuniform mit scharlachrotem Waffenrock und Goldlitzen, über der Schulter einen pelzgesäumten gelben Umhang. Er begrüßte mich mit der rechten Hand am Säbelgriff.
»Ich bin froh, daß Sie sich entschlossen haben zu kommen«, sagte er.
»Ich habe keine Sekunde gezögert.«
»Vielleicht sollten Sie das jetzt tun.«
»Ich verstehe nicht...«
»Ich meine, daß Sie jetzt zum letztenmal die Gelegenheit haben, einen Rückzieher zu machen.«
»Davon kann keine Rede sein. Ich will mitmachen.«
»Sie wissen, daß Sie unsere Organisation nicht wieder verlassen können, wenn Sie erst einmal aufgenommen sind und die Identität der anderen Mitglieder der Liga kennen?«
»Ja, das habe ich verstanden.«
Während wir sprachen, hörte ich Stiefelgetrampel von vielleicht zwei Dutzend Leuten, die an der Tür vorbeigingen. Danach wurde es draußen vor dem Zimmer wieder still. Das schien der Augenblick zu sein, auf den Radon gewartet hatte.
»Dann sollten wir jetzt anfangen,
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