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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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berührte, und ich fühlte, wie sie gelöster wurde und sich entspannte und seufzte.
    Als ich mich auf sie herunterließ, klammerte sie sich mit einer Wildheit an mich, die ich für Verlangen hielt, aber ich weiß jetzt, daß es aus Angst geschah.
    Ich war auf einen Widerstand nicht vorbereitet; er kam plötzlich, als ich tiefer in sie eindrang. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus. Ich hielt inne, aber sie umklammerte mich noch fester, um zu verhindern, daß ich mich zurückzog.
    »Nein!« flehte sie.

    Ich machte weiter, drückte mich halbherzig an sie, ängstlich mitfühlend, befangen von dem Schmerz, den ich ihr verursachte. Ich fügte meiner Geliebten mit jedem Vortasten meiner Liebe Schmerzen zu. Ich spürte ihre Tränen an der Stelle, an der sich unsere Wangen berührten. Aber ich machte trotzdem weiter.
    Von meiner Brust rannen Schauer den Rücken hinunter bis zu meinen Hüften.
    Ein reißendes Tier hatte von mir Besitz ergriffen. Da war ein Fremder in mir, der nur das eine im Sinn hatte, das er zielstrebig verfolgte bis zu seinem wilden Entzücken. Ich erhob mich über ihr auf die Arme. Ich bäumte mich auf wie ein Zentaur und warf den Kopf zurück, und wenn ich im Wald gewesen wäre, hätte ich mit dem Auslösen der gedankenlosen wilden Glückseligkeit aufgebrüllt.
    Es verebbte mit endlosen Stufen des Entzückens, und allmählich wurde ich wieder zu dem Mann, der ich zuvor gewesen war. Unter mir sah Estelle mit einem halb erleichterten, unsicheren Blick in den Augen zu mir hoch. Ich beruhigte sie mit einem sanften Kuß – unsere Lippen können auf so viele verschiedene Arten lügen –, hielt sie, streichelte sie, tröstete sie. Ich glitt weiter nach unten, um mit meiner Zunge die dunkle Aureole zu umkreisen, auf der Suche nach einem letzten Echo des ekstatischen Augenblicks. Ihre Finger strichen zaghaft, bedächtig durch mein Haar, aber ich war noch nicht zu einer zärtlichen Stimmung zurückgekehrt. Ich war eine monströse Pythonschlange, die sich weiter hinabwand, die sich um ihre Taille und Schenkel legte, um tiefer in die verborgene Spalte vorzudringen, um zu lecken und zu saugen und den heißen, berauschenden Saft des Lebens selbst zu schmecken.
    Am nächsten Morgen – heute morgen – kam ich in dem fremden Bett langsam wieder zu mir. Das Licht war anders als in meinem trüben Schloß; anstatt Schatten und Feuchtigkeit strömte Sonnenlicht durch die riesigen Fenster. Wie ein Trunkener versuchte ich mir die Ereignisse des vergangenen Tages ins Gedächtnis zu rufen, und die dämmerten mir allmählich wieder auf, fremde Handlungen, von einem Fremden verübt. Die Erinnerung daran ließ mich zusammenzucken. Ich hatte Estelle geschändet. Ich drehte mich um und stellte fest, daß sie nicht im Bett war. Ich lag still da und lauschte auf das Geräusch ihrer Schritte irgendwo sonst in der Wohnung, hörte aber nichts. Und auch ihre Kleider waren nicht im Zimmer, als ich mich aufsetzte und mich umsah.
    Ich war sicher, daß sie gegangen war. Ich hatte sie mit Abscheu erfüllt, sie verletzt, erniedrigt. Ich glaube, ich verspürte Gewissensbisse, einen plötzlichen Stich, so wie man ihn erlebt, wenn eine ungewohnte Bewegung einen krampfhaften Schmerz auslöst, eine alte Verwundbarkeit aufdeckt, die man vergessen hat. Vor allem geriet ich in Panik, daß ich dieses kostbare Wesen verloren hatte, das allein fähig war, mich nach meinem zwanzigjährigen Schlaf wieder ins Leben zurückzurufen.
    Ich sprang aus dem Bett, griff nach meinem Hausmantel und ging durch die spärlich eingerichteten Zimmer. Ich hatte Angst, ihren Namen zu rufen, falls ich keine Antwort bekam. Was konnte einsamer sein, als meine eigene Stimme zu hören, die all den Zauber dieses Klangs heraufbeschwor ohne die Realität ihrer Gegenwart?

    Endlich fand ich sie in dem kleinen Zimmer, das ich als Arbeitszimmer gewählt habe, obwohl im Augenblick darin nur ein Stuhl und ein Tisch steht. Es ist das Zimmer, in dem ich letzte Nacht saß, um die letzte Eintragung in dieses Tagebuch zu schreiben, während ich im Schein des Mondes hinaus auf den Platz sah.
    »Ah, hier bist du!« sagte ich.
    »Was dachtest du denn, wo ich bin?« fragte sie kokett.
    Ich nehme an, ich war sichtlich erleichtert, und sie war nicht abgeneigt, aus der Situation Vorteile zu ziehen. Wir kennen kaum die Konturen unserer beider Charaktere und noch viel weniger das Herz des anderen. Meine unbedacht offenbarte Angst, sie zu verlieren, entsprach der Wahrheit, und wer könnte es ihr

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