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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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Körper hatte meine Aufmerksamkeit abgelenkt. Alles an Annies Körper verwirrte mich. Violettes Gesicht hatte sich entspannt, während sich Annies Gesicht verkrampfte. Ich ertrug es nicht und noch weniger,
dass sich ihr Körper plötzlich aufbäumte und ihre Brüste in einer Bewegung nach oben warf, die mich überwältigte.
    Mit Violette war alles gut gewesen. Mit Annie war es schlecht.
    Sie zog den Rock eilig hinunter. Ich zog die Hose eilig hoch. Als wir wieder angezogen waren, fühlten wir uns beide besser. Vor allem miteinander. Ich hatte Angst, Annie werde sofort gehen, aber nein, wir blieben unter den Sternen liegen, die immer noch nicht da waren. Ich hatte wieder das Gefühl, Annie wolle mir etwas sagen, aber sie sagte nichts.

    Noch heute ärgere ich mich, keinen Mut aufgebracht zu haben. Ich hatte den Mut aufgebracht, sie schlecht zu lieben, nicht aber den, sie zum Sprechen zu bringen. Ich hätte sie daran hindern können, zu dieser Verabredung mit Monsieur M. zu gehen, und alles wäre nicht geschehen. Die Gefühle übermannten mich. Ich war tatsächlich immer der Erste gewesen. Annie hatte mich nicht belogen. Nicht in diesem Punkt.

    Aber wenn sie von Monsieur M. »mit der Effizienz einer Jungfrau« schwanger geworden wäre, wie sie gesagt und geschrieben hatte, hätte sie drei Monate darauf weggehen müssen: April ... Mai ... Juni ... Also im Juli.
    Sie war jedoch kurz nach Weihnachten weggefahren, daran erinnere ich mich genau. Ich war bei ihr vorbeigegangen, um ihr ein kleines Geschenk zu bringen, das ich auf dem Heimweg voller Wut an einen Baum warf, denn sie war soeben mit Madame M. abgereist.
    Juli, August, September, Oktober, November, Dezember...
    Es fehlten fünf Monate in Annies Bericht. Das war viel.
Womöglich hätte ich erraten, was während des Zeitraums geschehen war, den sie unterschlagen hatte, hätte sie an jenem Oktoberabend 1943 nicht plötzlich die Zimmertür an meinen Rücken gedrückt.
    Ich sprang auf und warf die Unterwäsche unter die Kommode, um sie verschwinden zu lassen. Wenn es ihr Soldat war, würde ich mich zurückhalten müssen, um ihm nicht die Faust ins Gesicht zu schlagen.
    Annie warf sich mit solcher Inbrunst in meine Arme, dass es mir die Kehle zuschnürte. Sie hatte wirklich Angst gehabt, ich könnte nicht mehr da sein. Sie hatte sich beeilt. Sie holte eine seltsame kleine Statue aus ihrer Tasche, eine lang gestreckte Frau, die auf einer Art Stuhl sitzt und die Hände um die Leere spreizt, als hielte sie ein unsichtbares Objekt vor ihrem Bauch, und so hieß die Statue auch: »Das unsichtbare Objekt«. Es war ein Geschenk von Alberto, das sie aus dem Geschäft mitgebracht hatte, sie wollte es mir zeigen. Sie stellte es auf den Tisch, setzte sich aber nicht, sondern schlug mir sofort vor, hinauszugehen.
    Es sei der Tag, an dem sie immer ins Stadtbad gehe, ob ich Lust hätte, sie zu begleiten.
    Ich fand diese plötzliche Dringlichkeit, sich zu waschen, etwas merkwürdig, stieß mich aber nicht weiter daran. Ich dachte, sie beeile sich wegen der Sperrstunde. Ich hoffte, ich würde an der frischen Luft wieder zur Besinnung kommen, aber Annie gewährte mir keinen Aufschub. Kaum waren wir auf der Straße, setzte sie ihren Bericht dort fort, wo sie ihn unterbrochen hatte, um die Schlüssel wegzubringen. Ohne auf die geheimnisvollen verflüchtigten Monate zurückzukommen. Von ihnen würde ich erst Jahre später erfahren.

    »Madame M. hatte alles geplant. Wir würden während meiner Schwangerschaft in ihrem Haus in Paris bleiben, in dem sie gewohnt hatten, bevor sie in unser Dorf kamen. Das sollte ich auf keinen Fall meinen Eltern erzählen. Sie würden nicht verstehen, wenn ich sie dann nicht ab und zu besuchen würde. Deswegen sollten wir allen sagen, dass wir also weit weg, in den Süden fahren würden. Nach Collioure, wo das Klima milder war. Wir mussten unsere Abreise irgendwie erklären. Wenn der Krieg ausbrechen sollte, auch wenn es nicht danach aussah, würden wir dort unten in Sicherheit sein. Sie fand für alles eine Antwort.
    Es fiel mir schwer, meine Eltern anzulügen. Madame M. bot mir an, es für mich zu tun. Das sei kein Problem, sie habe ohnehin vorgehabt, zu uns zu kommen. Sie wollte mit meinen Eltern sprechen und sie beruhigen.
    Mein Vater hat kein Wort gesagt, während sie ihre Erklärungen gab. Er saß ganz steif in seinem Sessel und starrte sie an. Maman versuchte nicht einmal, die Atmosphäre zu entspannen. Sie war zu traurig, um zu widersprechen.
    Madame

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