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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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verschönern, hatten wir überhaupt keine Angst mehr, dass der Krieg ausbrechen könnte. ›Die Mobilmachung ist nicht der Krieg‹, las man überall. Es war nur der ›komische Krieg‹. Wir amüsierten uns damit, die zensierten Wörter in den Zeitungen zu erraten. Das dauerte immer länger. Es gab so viele weiße Stellen, dass manche Artikel unlesbar wurden.
    Zwölf Personen mussten in Paris ins Krankenhaus, nachdem sie auf ( ) ausgerutscht waren, das die Straße bedeckte.
    ›Glatteis?‹
    ›Bravo!‹
    Sogar der Wetterbericht war verboten, er hätte dem Feind nutzen können.
    Madame M. war von einer Lebensfreude erfüllt, die ich nicht von ihr kannte. Sie ist viel ausgegangen, aber sie hat immer auch an mich gedacht. Sie hat mir erzählt, was sie erlebt hat, von den Einkäufen in Longchamps, dem Wohltätigkeitsbasar für die Soldaten … Und von den Leuten.
Sie hat mir auch moderne Kleidungsstücke geschenkt, deren Namen und Farben von den Ereignissen inspiriert waren. Ein Mantel hieß ›Panzer‹. Ein Nachthemd ›Rührt euch!‹. Ich konnte zwar ›in meinem Zustand‹ nicht viel damit anfangen, aber sie dachte, ich könnte sie meiner Mutter geben, wenn ich wieder in N. wäre. Sie würde die Kleidungsstücke als Modell nehmen, um den Frauen im Dorf ähnliche zu nähen, die sich bestimmt verkaufen würden wie warme Semmeln. Das fand ich sehr aufmerksam.
    Ich habe versucht, die neuen Farbtöne auf meiner Palette wiederzugeben. ›Maginotblau‹, ›Flugzeuggrau‹, ›Heimaterdebraun‹ … Ich habe Farben gemischt, um meine dunklen Gedanken zu vertreiben. Ich wusste nicht mehr, was ich malen sollte. Ich musste zu viel nachdenken. Also habe ich Bilder abgemalt. Das war immerhin besser als nichts.
    Madame M. wusste, wie schwer es für mich war, so eingesperrt zu sein, und hatte einen Stadtplan von Paris in mein Zimmer gehängt, damit ich mich nicht so ausgeschlossen fühlte. Ehe sie aufbrach, zeigte sie mir jedes Mal, wohin sie ging. Ich verbrachte Stunden damit, die Straßennamen klingen zu lassen. Ich lernte die Arrondissements auswendig. Sie brachte mir auch Fotos und Postkarten. Vom Eiffelturm, der Place de la Concorde, dem Arc de Triomphe. Vom Louvre. Sie versprach mir, dass wir ihn nach der Entbindung zusammen besuchen würden. Sie machte eine Menge Pläne für die Zukunft, für ›danach‹, wie sie sagte. Ich hätte versuchen müssen, ihr Spiel zu durchschauen, wie bei den zensierten Artikeln. Aber ich ahnte keine Sekunde lang, was sie im Schilde führte. Sie war wirklich sehr nett zu mir.
    Sie hatte mir sogar ein Kätzchen geschenkt, damit ich mich weniger einsam fühlte, wenn sie nicht da war. Ganz
grau, mit einem roten Fleck auf dem Kopf. Ich nannte es Alto und dachte dabei an Alberto. Sein Unterricht fehlte mir. Sie hatte ihm erzählt, ich sei zu Hause in N. geblieben und wir würden den Unterricht nach ihrer Entbindung fortsetzen, wenn sie wieder in L’Escalier wäre. Alberto wohnte in Paris, sie konnte ihm nicht sagen, dass ich da war. Er hätte nicht verstanden, warum ich nicht in sein Atelier kam. Das alles erschien mir sehr kompliziert. Ihr nicht. Sie befreite sich mühelos aus jeder Klemme.
    Um mir Unterhaltung zu verschaffen, hatte sie auch ein Radiogerät in mein Zimmer gebracht. Ich hörte vor allem Musik, am liebsten Klaviermusik, die ich besonders mochte. Ich drehte den Ton lauter, für das Kind. Ich sagte mir, dass wir beide gleich waren: Wir hörten nur Stimmen und sahen keine Gesichter.
    Ich nannte es ›das Kind‹. Sie nannte es ›mein Kind‹. Ich sagte nichts. Es gab noch viele andere Sachen, die ich nicht sagte. Dass sie aufhören sollte, ihre Hände an meinen Bauch zu drücken. Mir Ratschläge für ›ihr Kind‹ zu geben. Ich sollte ordentlich essen für ihr Kind. Genug schlafen für ihr Kind. Das Fenster in meinem Zimmer offen lassen, die Farbdämpfe seien nicht gut für ihr Kind. Sie interessierte sich einzig und allein dafür, was gut oder nicht gut für ihr Kind war.
    Wir hatten dieselbe Figur. Die Tücher, die sie um ihren Bauch legte, wurden im gleichen Tempo dicker wie mein Bauch. Sie hat sie nicht einmal zu Hause abgelegt. Außerdem hat sie alle meine Bewegungen nachgeahmt. Das war mir zuwider. Man hätte wirklich glauben können, sie sei schwanger. In ihrer Umgebung glaubten es jedenfalls alle.
    Sie wollte nichts von dieser Schwangerschaft verpassen, die sie als ihre ansah. Ich mochte die vielen Fragen nicht,
die sie mir stellte. Sie fragte mich unaufhörlich, ob ich

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