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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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Geruch, dass ich ihre schmutzige Wäsche suchte. Krankhaft. Aber gerade weil ich Annie anfänglich so keusch geliebt hatte, schämte ich mich kein bisschen, sie nun voller Lüsternheit zu lieben. Ich drückte den Rücken an die Tür, um nicht überrascht zu werden.
    Ihre vollen Brüste. Dieses Bild verfolgte mich seit dem Tag, als sie mich gebeten hatte, ihr beim Verschieben einer Bank zu helfen, um eine Schulaufführung vorzubereiten. Sie hatte sich vorgebeugt, und ein Knopf ihrer Bluse war aufgegangen. Sie bemerkte es nicht, weder die Bewegung des Stoffs noch die meiner Augen. Ich habe lange von ihren Brüsten in dieser Haltung geträumt, vorgebeugt, hängend und rund ...
    ›Warten wir bis morgen‹ ... Ich wollte nicht, dass es unter diesen Bedingungen geschah. Nicht mit einem Mann, den ich nicht kannte. Nicht beim ersten Mal ...
    Schlagartig wurde mir klar, worauf Annie in ihrem Bericht angespielt hatte, und die Erinnerung raubte mir den Atem.

    Es war im April 1939.
    Schon seit mehreren Monaten hatte sie sich durch den Umgang mit Madame M. von mir entfernt. Deshalb war ich sehr überrascht, als sie mich eines Tages zu Hause abholte. Sie führte mich auf den Uferweg am Teich, und ich hatte das Gefühl, sie wolle mir etwas sagen.
    Plötzlich blieb sie stehen.
    »Komm, wir gehen rauf.«
    Ich erstarrte, erschrocken und sprachlos.
    Komm, wir gehen rauf. Ich hatte diesen Satz schon einmal
gehört. Eine andere Frau, ein anderer Ort. Dort hatte es entsetzlich nach Feuchtigkeit gerochen, nach Fäulnis. Kein Wunder, waren doch alle Fenster fest verschlossen. Und nirgendwo in der Stadt wurde die Tür so flink geöffnet und wieder geschlossen wie in diesem »Haus«.
    Violette stand ganz dicht vor mir. »Komm, wir gehen rauf.«
    Trotz meiner Beklommenheit hatte ich gelächelt. Eigentlich musste man runtergehen, denn die Schlafzimmer waren unten. Aber so eine Floskel ist oft stärker als die Wirklichkeit ...
    Violette war hinuntergegangen, und ich war ihr mit dem typisch männlichen Gefühl gefolgt, einen weiteren Schritt in meiner Geschichte mit Annie zu gehen. Es gibt nur wenige Frauen, die sich gern von einem Mann nehmen lassen, der noch keine andere umarmt hat.

    »Komm, wir gehen rauf.«
    Diesmal passte die Floskel genauso wenig zum Ort. Nachdem ich mich gefangen hatte, packte ich die Schnur, um das Boot ans Ufer zu ziehen.
    Annie stieg ein, ich folgte ihr.
    Das Boot war recht breit, aber nicht sehr tief. Wir legten uns hin, um nicht gesehen zu werden. Annie wirkte angespannt. Ich hatte den Eindruck, sie wolle mir etwas sagen, aber sie gab keinen Ton von sich.
    Der Himmel muss oft als Entschuldigung für hilflose Liebende herhalten, aber wir hatten kein Glück: Es war die falsche Zeit für Sterne. Ich richtete die Augen starr auf das Stückchen Himmel und fühlte mich verloren. Diesmal war ich ganz allein. Keine Violette, die mich führte. Sosehr ich mir den Kopf zerbrach, ich wusste nicht mehr, wie es mit
ihr angefangen hatte. Ich wusste nicht, an welcher Geste, welcher Liebkosung ich mich festhalten sollte. Violette hatte sich allein ausgezogen, sie hatte es ohne besondere Leidenschaft und ohne Inbrunst getan, mit der Langsamkeit einer Migränekranken und der Gleichgültigkeit der Gewohnheit.
    Ungeschickt öffnete ich Annies Bluse, Häkchen für Häkchen.
    Violette hatte die Haut einer Frau, die ihren Körper nicht pflegt, weil sie weiß, dass man ihn in jedem Fall benutzen wird. Annies Haut war zart und glatt. Wenn Annie die Augen offen gehalten hätte – wie Violette –, hätte sie gesehen, dass ich ihre üppigen Brüste an ihrem zarten Oberkörper anschaute. Nein, sie hätte es nicht gesehen, denn wenn sie die Augen offen gehalten hätte, hätte ich mich nicht getraut, ihre Brüste anzuschauen. Auch ihre Fäuste waren geschlossen.
    Violette und ich waren nackt gewesen. Annie und ich blieben so angezogen wie möglich. Violette hatte meine Hand auf ihrem Körper herumgeführt. Unter meinen Fingern hatte ich die Unebenheiten gespürt, wo ich doch immer gedacht hatte, es sei ganz glatt. »Wenn es so feucht ist, ist es gut«, hatte sie sanft gesagt, es war ein Hinweis, eine Belehrung. Sie hatte meine Hand losgelassen, und ich hatte gespürt, wie ihre Finger langsam die Stelle umschlossen, an der sich meine Empfindungen konzentrierten. Dann hatte ihr Körper ihre Hand ersetzt.
    Wenn es so feucht ist, ist es gut, versuchte ich mich zu beruhigen, als ich die Hand zwischen Annies Schenkel schob. Nichts an Violettes

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