Das geheime Prinzip der Liebe
leer. Draußen wärmte die Sonne. Ich hätte etwas ahnen müssen.
Der folgende Monat verlief wie gewohnt. Annie besuchte mich weiterhin, mein Mann ging wie üblich am Vormittag weg und kam zum Abendessen zurück, manchmal später, aber nur selten.
Ich war die Einzige, die sich verändert hatte. Ich hoffte
nicht auf ein Kind, wie in all den letzten Jahren. Ich erwartete es. Gelassen.
Ich dachte daran, was wir alles mit ihm tun würden. Nach Paris zurückkehren. Unser früheres Leben wieder aufnehmen. Ich würde den Status einer Paria, in den man mich verbannt hatte, verlieren. Nichts würde mich mehr von Paul trennen. Wir würden uns in unserem Bett wiederfinden, ohne dass die schwere Verantwortung auf uns lastete. Wir würden ein Kind haben und nicht auf weitere warten. Wir würden unsere Liebesspiele da fortsetzen, wo wir sie einige Jahre zuvor mit der Unbekümmertheit aufgegeben hatten. Durch diese Gewissheiten gestärkt, nahm ich es Paul nicht einmal mehr übel, meinem Drängen nachgegeben zu haben. Die schönen Aussichten hatten meine Eifersucht eingeschläfert, ich befand mich in einem Zustand tiefen Glaubens, an der Grenze der Vernunft .
Aber dann teilte mir Paul eines Abends ohne Umschweife mit, dass Annie nicht schwanger sei. Die Nachricht traf mich umso heftiger, als ich nicht damit gerechnet hatte, dass ausgerechnet er es mir mitteilen würde. Das konnte nicht sein. Er musste sich irren. Und überhaupt, wie wollte er das wissen?
»Annie hat es mir gesagt.«
Wann? Sie hatten sich doch seitdem nicht wieder gesehen.
»Also nein, sie hat es mir nicht gesagt. Das heißt, nicht direkt … Wir hatten vereinbart, wenn sie nicht schwanger ist, würde sie die Gardine im Fenster ihres Zimmers einklemmen. Damit ich abends, wenn ich die Auffahrt heraufkomme , die Gardine sehe, Bescheid weiß und es dir sagen kann. Wir haben das gemeinsam entschieden, nachdem ... Du verstehst schon, als wir fertig waren ...«
Das war alles so entsetzlich. Die Vertraulichkeit zwischen
meinem Mann und Annie. Dass ihr Beischlaf umsonst gewesen war. Ich raste vor Verzweiflung. Nie zuvor war ich in einem solchen Zustand gewesen. Diese Schwangerschaft war unsere letzte Chance auf das Glück. Ich hatte mich einmal damit abgefunden, dass sich ihre Körper vereinten, ich würde es wieder tun. Sie mussten es weiter versuchen. Sie durften nicht aufgeben, nicht jetzt, sie mussten weitermachen, bis es klappte!
Paul lehnte entschieden ab. Wir hätten eine Vereinbarung getroffen, deren Regeln ich festgesetzt hätte: »Ein einziges Mal.« Er habe sich daran gehalten, ich müsse es ebenfalls tun. Wir verbrachten den Abend und die Nacht im Streit. Er beschuldigte mich, ich wolle uns zerstören. Ich antwortete ihm, viel eher würde es uns zerstören, kein Kind zu haben.
Am nächsten Tag bestand er darauf, Annies Besuch abzuwarten. »Ich weiß nicht, was du dem Mädchen sonst wieder in den Kopf setzt.«
Er hielt am Fenster des Salons nach ihr Ausschau . Wir hatten noch nicht vernommen, wie die Tür aufging, da stand er schon in der Diele. Er war ihr entgegengestürzt, und ich hörte ihn auf sie einreden.
»Ich habe ihr gesagt, dass du nicht schwanger bist ... ich habe ihr von der Gardine erzählt, die du im Fenster eingeklemmt hast, um mich zu verständigen ...«
Sie kamen in den Salon zurück. Paul war bleich. Er zeigte auf mich und sagte eindringlich: »Sie will nichts hören. Sie will, dass wir weitermachen. Ich schaffe es nicht, sie wieder zur Vernunft zu bringen. Sag du es ihr. Sag ihr, dass es unmöglich ist!«
Annie schaute ihn merkwürdig an . »Ich bin einverstanden.«
Weder Paul noch ich verstanden gleich, was sie damit meinte.
»Ich bin einverstanden, dass wir weitermachen, bis es klappt.«
Annie hatte vollkommen ruhig gesprochen. Mein Mann zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt. Er wirkte vollkommen verloren. Mit den Augen suchte er seine Aktentasche auf dem Kaminsims, erinnerte sich, dass sie unter dem Fenster an der Wand stand, griff sie sich im Vorbeigehen und hastete hinaus.
Es war wie in einem Stück von Feydeau , und trotz der spürbaren Spannung mussten Annie und ich über diesen albernen Abgang lächeln. Ansonsten gab es nichts zu sagen. Annie entschärfte die Situation mit ihrer Natürlichkeit, indem sie mir eine Illustrierte reichte und freundlich bat: »Setzen Sie sich zu mir zum Lesen, ich möchte noch an meinem Bild arbeiten.« Wir konnten unser harmonisches Miteinander fortsetzen.
Paul und ich hingegen
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