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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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lächerlich abergläubisch. Im Unterschied zur Religion ist der Aberglaube denen eigen, die einen Glauben brauchen, aber nichts geben können, so wie ich damals, gefangen im Eigennutz des Unglücks.
    Einige Tage später ertappte ich mich dabei, Annies Bauch zu betrachten und ihn mir durch mein Kind gerundet vorzustellen.
    Ich ahnte den Beginn einer Hoffnung. Zugleich wurde mir eine Befürchtung bewusst, die ich mir niemals einzugestehen gewagt hatte, aus Angst, sie würde sich bewahrheiten: dass Paul mich verlassen könnte.
    In unseren Kreisen konnte man nicht ohne ein Kind leben, konnte er es? Wie schaute er die Frauen an, die ihm begegneten? Fühlte er sich manchmal von ihnen angezogen, nicht nur, weil sie schön waren, sondern weil sie ihm vielleicht ein Kind schenken konnten?

    Ich kannte die idealen Bedingungen für die Befruchtung auswendig und war fest entschlossen, sie bei Annie und meinem Mann herbeizuführen.
    Der Beischlaf durfte nicht länger als drei Minuten dauern. Alle Ärzte waren sich einig, dass Wollust die Chancen der Befruchtung vermindert. Drei Minuten im Tausch
für ein Kind , was war das schon? Ich redete mir ein, dass ein Mal ausreichen würde, damit mir Gott die Erlösung schenkte, ein einziges Mal. Ich weiß, das war absurd, aber »Irrtümer beruhen oft auf Überzeugungen«, wie Paul eines Nachmittags bemerkte.
    »Ich habe dir ja gesagt, dass dieses Münchener Abkommen eine Dummheit war. Wie konnten sie glauben, dass Hitler es dabei belassen würde? Irrtümer beruhen allzu oft auf Überzeugungen. Erst das Rheinland, dann der Anschluss und jetzt die Sudeten: Die neue Eroberung wird nicht ausreichen, um einen Schlusspunkt unter die Forderungen des Wahnsinnigen zu setzen. Beim nächsten Mal gibt es Krieg, das versichere ich dir.«
    Es war der 16. März 1939. Paul und ich spazierten durch den Park von L’Escalier. Hitler hatte Prag besetzt, mit der Tschechoslowakei war es vorbei. Paul war überzeugt, dass wir dem Krieg nicht entgehen würden. Ich wollte nicht daran glauben und machte mich über seine Schwarzmalerei lustig.
    Annies Vorschlag verfolgte mich ohne Unterlass, ich konnte an nichts anderes mehr denken. Das Wetter war mild, es war unser Hochzeitstag. Ich dachte, es wäre der beste Moment, um mit ihm darüber zu sprechen. Dass seine Reaktion so heftig ausfallen würde, hatte ich nicht erwartet.
    »Wie kannst du mich um so etwas bitten? Hast du den Verstand verloren? Dieses Mädchen ist noch ein Kind! Sie weiß nicht, wovon sie spricht. Sie hat es dir vorgeschlagen, ohne nachzudenken. Was bildest du dir überhaupt ein? Erst ziehen wir um, ohne uns darum zu kümmern, ob das womöglich meiner Laufbahn schadet. Jetzt soll ich mit der Erstbesten schlafen … Und als Nächstes? Vielleicht ein Kind
entführen, nachdem ich seine Eltern umgebracht habe? Ich bitte dich: Fang dich wieder! Komm in meine Arme, Liebes... Du bist einmal schwanger geworden und du wirst wieder schwanger werden, das verspreche ich dir!«
    Ich bin nicht in seine Arme gekommen und seit jenem Tag auch nie mehr wirklich dorthin zurückgekehrt. Ich ging bis zur Pergola mit den Pfeifenblumen und setzte mich. Paul blieb vor mir stehen und versuchte nervös, einen Trieb um das eiserne Gewölbe zu wickeln.
    Ich versuchte, so hörbar zu sprechen, wie ich es vermochte. »Ich war niemals schwanger ... Dr. Pasquin hat dich belogen ...«

    Es hatte sich vor zwei Jahren ereignet.
    Meine Regel war ausgeblieben.
    Ich hatte mir zuvor immer wieder die Sätze zurechtgelegt, mit denen ich Paul verkünden würde, dass ich schwanger war, doch ich benutzte keinen davon. Er nahm mich mit so viel Liebe in die Arme. Er hatte so sehr befürchtet, dass wir niemals ein Kind bekommen würden. Er war so stolz. Er versprach mir, der beste Vater zu werden, den ich mir vorstellen könnte.
    Die ganze Nacht lang schmiedeten wir Pläne. Am Nachmittag des nächsten Tages ging ich zur Untersuchung zu Dr. Pasquin. Unterwegs kaufte ich auf dem Markt ein. Wir hatten unsere besten Freunde zum Abendessen eingeladen, um sie gleich an unserem Glück teilhaben zu lassen.
    Ich habe nie erfahren, wie das Essen verlaufen ist, auch nicht, wie Paul ihnen »das freudige Ereignis« verkündet hat. Als ich von der Untersuchung zurückkam, ging ich hoch und legte mich ins Bett, mit der Entschuldigung, dass ich mich nicht wohl fühlte. Ich ließ ihn mit unseren Freunden
ein Ereignis feiern, das niemals stattfinden würde. Ich hatte nicht den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen.
    Ich

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