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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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erlebte. Er flehte mich an, gut auf mich und das Kind aufzupassen, es tue ihm so leid, mich nicht getroffen zu haben. Er habe uns überall gesucht. Er nehme mich ganz fest in die Arme, seien sie nicht schon zu kurz, um meinen runden Bauch zu umfassen?
    Ich hätte diesen Brief schön gefunden, hätte er nicht geschrieben, er habe uns gesucht. Und hätte ich vor allem nicht den anderen Brief gelesen.

    Während der Tage in der Mühle hatte ich nicht mehr die Kraft gehabt, mich zu verstellen. Ich fand ein Mittel, damit Annie nicht an meiner Stimmung Anstoß nahm: Kreuzworträtsel. Sie boten mir die Möglichkeit zu überlegen, ohne Sorglosigkeit vortäuschen zu müssen. Während Annie glaubte, ich sei mit dem Ausfüllen der leeren Kästchen beschäftigt, hörte ich nicht auf, die Situation zu durchdenken, die Zukunft in alle Richtungen zu drehen und zu wenden, alle Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen. Auch diesen Moment hatte ich vorausgesehen, den Moment, da ich den Brief von Paul zusammenfalten würde, schon auf dem Weg nach oben, ohne mir die Zeit zu nehmen, den Mantel abzulegen. Ich wusste, dass er für mich irgendwo gut sichtbar ein paar Zeilen dalassen würde. Ich wusste nur nicht, ob er Annie darin erwähnen würde.

    Er hatte sie nicht erwähnt. Kein Wort. Kein Postskriptum.
    Hatte er Annie in seiner Verzweiflung, mich nicht anzutreffen, vergessen? Oder hatte er das Ausmaß seiner Schuld erkannt?
    War er zu mir zurückgekehrt? Oder hatte er ihr vielmehr ein Zeichen gegeben, ohne mich einzubeziehen? Hatte er ihr einen eigenen Brief geschrieben?
    In dem Fall hatte er gewiss lange über ein Versteck nachgedacht. Zuerst mochte er ihn vielleicht unter eine Parkettlatte geschoben haben. Aber kaum getan, hatte er sich gesorgt. Was, wenn Annie nicht überall suchte? Er hatte zwar einen Spalt offen gelassen, aber das würde als Hinweis vielleicht nicht ausreichen. Nein, es war zu riskant. Besser war es, diesen Brief irgendwo hinzutun, wo Annie bei einer täglichen Verrichtung sicher auf ihn stoßen würde. Dann hatte er ihn womöglich unter ihre Palette geklebt. Und erneut gezögert. Wenn sie nicht mehr malte? Oder nicht mehr jeden Tag? Schließlich wusste er nichts über ihre neuen Gewohnheiten. Nein, das war zu gefährlich. Welcher alltäglichen Geste war er wirklich sicher?
    Ich schlug das Bett auf, und der Brief lag da, wo ich ihn vermutete. Sein ungestümer Wunsch, sie möge ihn lesen, hatte Paul leichtsinnig und kühn gemacht.
    In diesem Versteck konnte jeder ihn finden, auch ohne ihn zu suchen. Paul hatte ein unglaubliches Risiko auf sich genommen. Aber für ihn war das Risiko nicht, dass jemand anderes den Brief fand, sondern dass Annie ihn nicht fand.
    Er schrieb, er denke Tag und Nacht an sie. Es sei eine Folter, sie nicht zu sehen, sie nicht zu sprechen, ihr nicht schreiben zu dürfen. Er habe diesen Urlaub so sehr herbeigesehnt. Umsonst. Wenigstens könne er ihr so diese Zeilen
zukommen lassen. Er hoffe, dass wir seine Briefe gemeinsam lesen würden, denn sie seien auch an sie gerichtet, an sie, er hoffe, dass sie das verstanden habe. Die Schilderung seiner Tage sei auch für sie bestimmt. Damit sie ihn ein wenig vor Augen haben könne, wenn ihr der Sinn danach stehe. Damit sie ein bisschen das Gefühl bekomme, bei ihm zu sein, wenn ihr der Sinn danach stehe. Er sorge sich um sie. Ob sie glücklich sei? Was mit ihrem Vater geschehen sei, tue ihm leid. Er habe es erfahren, als er uns im Dorf gesucht habe. Aber alles werde sich klären, es sei nur eine Frage von Wochen, sie könnten ihn nicht ewig im Gefängnis behalten, nicht für so eine Bagatelle. Malte sie noch viel? Malte sie Dinge, die sie mochte? In diesen sechs Tagen habe er viel Zeit in ihrem Zimmer verbracht und ihre Bilder betrachtet. Ihre Farben seien schöner, präziser oder intensiver, er finde nicht das passende Wort. Er habe jeden Gegenstand berührt, habe sich auf den Stuhl gesetzt, auf das Bett gelegt, um sich ihr näher zu fühlen. Auf der Suche nach uns habe er die Händler des Viertels aufgesucht, hoffend, dass der eine oder andere wisse, wo wir waren. Die Vorstellung, dass sie Annie kannten, habe ihn aufgerichtet, er habe sogar Stolz empfunden bei der Vorstellung, dass sie sie sicher schön gefunden hätten. Er lebe im Verlangen nach ihr, er tue oft das, was sie einander vor seiner Abreise zugeflüstert hätten. Und sie? Tue sie es? Wage sie es? Er liebe sie. Er liebe sie. Sie solle niemals daran zweifeln. Egal was geschehe. Er habe

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