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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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gerade im Radio die Rede des neuen Ministerpräsidenten Paul Reynaud zu seiner Amtseinführung gehört: »Siegen bedeutet, alles zu retten; unterliegen, alles zu verlieren.« Nicht, wenn man ihr unterliege ... Er umarme sie voller Leidenschaft.
    Ich hielt zwei Umschläge in den Händen. Auf den einen
hatte Paul geschrieben: »Elisabeth«. Auf den anderen: »Meine Liebe«. Konnten die Dinge noch eindeutiger sein?

    Mit der Kinderlosigkeit hätte ich mich abfinden können, nicht aber mit einem Ehebruch. Ich war kurz davor gewesen, alles aufzugeben, jetzt kam es nicht mehr in Frage. Gerade war mir klar geworden, worauf ich verzichten musste und wogegen ich noch kämpfen konnte. Zum Teufel mit ihnen! Dieses Kind würde meins sein. Es war alles, was mir blieb. Eine betrogene Frau, aber wenigstens Mutter.
    Als ich Annie am 9. April 1940 erzählte, dass Hitler Dänemark und Norwegen angegriffen habe, bekam sie einen Schwächeanfall. »Nur ein Krampf«, versuchte sie mich zu beruhigen, »plötzlich zieht sich der Bauch nach oben und wird hart wie ein Stein, aber es ist nicht schlimm.«
    Vielleicht … Aber als ich sah, wie Annie plötzlich zu Boden sank, die Hände auf dem Bauch presste und mühsam atmete, glaubte ich an eine Frühgeburt, und ich beschloss vor lauter Angst, ihr nie mehr etwas zu sagen, was sie aufwühlen oder auch nur beunruhigen könnte. Ich wusste, dass sie befürchtete, der Krieg könne zu echten Kämpfen führen, in denen Pauls Leben in Gefahr geriete. Sollte er umkommen, hätte Annie – abgesehen von ihrem Liebesschmerz – niemanden mehr, der mich hindern konnte, ihr das Kind wegzunehmen, und das wusste sie. Diese Aussicht war ihr unerträglich, selbst wenn sie so tat, als hätte sie sich damit abgefunden.
    Ein Kind wegzugeben, nachdem man es ausgetragen hat, ist gewiss immer herzzerreißend, doch bei ihr ging es um das Kind ihrer Liebe ... Dieser feine Unterschied änderte alles, das hatte ich schon lange verstanden. Wenn mir auch die physischen Voraussetzungen zum Gebären fehlten, so
doch keineswegs der Mutterinstinkt. Frauen sollten das eine nicht ohne das andere haben, das würde manches Leid verhindern.
    Strikte Zensur. Fortan erzählte ich ihr nur noch von Musikinstrumenten, von Kartenspielen, Büchern und hunderttausend Fußbällen, die den Soldaten geschickt wurden, sowie von der Zuwendung von drei Millionen Francs für die Anschaffung von Trikots, denn es gab unzählige Fußballfans an der Front ... Wenn Annie mir glaubte, war der Krieg nur ein einziges großes Wohlfahrtsfest.
    Ich träumte davon, ihr zu schaden, aber ich wollte, dass sie für mein Kind ein glücklicher Bauch blieb. Ich hatte oft gehört, je glücklicher die Schwangerschaft verlaufe, desto glücklicher werde das Kind, darum versuchte ich sie zu beruhigen . Ich machte tausend Versprechungen, an die ich nicht glaubte: Nach der Geburt würde sich nichts ändern, sie würde bei uns bleiben, sie würde ihr Kind immer sehen und sich darum kümmern können. Später, wenn es alt genug wäre zu verstehen, würden wir weiter sehen, wir würden vielleicht versuchen, ihm die Umstände seiner Zeugung und Geburt zu erklären.
    Das habe ich ihr, ganz ruhig, am 10. Mai gesagt, dem Tag, als die Deutschen uns angriffen. Eine Lüge von gleichem Ausmaß wie das Drama, das nun begann. Ein Trostpflaster von gleichem Ausmaß wie die Verletzung, die man uns zufügte. Als ich ihr einen Strauß Blumen ins Zimmer brachte, verschüttete ich in vermeintlichem Ungeschick das Blumenwasser über dem Radio. Ich hätte ihr gern die Musik gelassen, die sie so liebte, aber sie sollte bloß nicht den Erschütterungen dieser traurigen Wochen ausgesetzt werden. Die Zensur sagte uns nach wie vor nicht alles, aber was sie sagte, hätte ausgereicht, um sie zur Verzweiflung zu
bringen. Ich wollte, dass dieses Kind zur Welt kommt, ich dachte an nichts anderes mehr.
    Ich sah viele Flüchtlinge vorüberziehen. Amerikanische Straßenkreuzer rasten vorbei, die Chauffeure in Livree beugten sich über den Autoatlas. Dann kamen die weniger schönen, weniger neuen Autos, vollgestopft mit Familien. Und schließlich die Fahrräder und Fußgänger, die Frauen mit Hüten und in Sonntagskleidern, schwitzend unter den zahlreichen Schichten, die sie übereinander gezogen hatten, um so viel wie möglich mitzunehmen.
    Trotz der allgemeinen Panik habe ich keine Sekunde daran gedacht wegzugehen: Annie konnte jeden Moment entbinden.
    Am Abend des 15. Mai begannen die ersten Wehen. Nach

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