Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geheime Verlangen der Sophie M.

Das geheime Verlangen der Sophie M.

Titel: Das geheime Verlangen der Sophie M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Morgan
Vom Netzwerk:
meine Unruhe tun sollte, ohne wie eine wütende Xanthippe daherzukommen. Ich musste ja auch die D/S-Dynamik in Betracht ziehen. Nach dieser intensiven gemeinsamen Zeit wollte ich nicht despektierlich erscheinen, aber ich wollte die Sache auch keinesfalls auf sich beruhen lassen, als sei ich eine welke Blume. Was aber tun?
    Gegen Feierabend hatte ich noch immer keine Ahnung.
    Ich beschloss, ihm beiläufig und ohne quengelnden Unterton zu simsen.
    Hey, du bist ja so still nach unserem Wochenende. Hoffe, alles ist okay, ich rufe dich heute Abend an.
    Keine Antwort. Tief in meinem Inneren erwartete ich auch keine, hatte aber noch immer keinen blassen Schimmer, was eigentlich los war.
     
    In der Klischee-Vorstellung hockt eine sitzengelassene Frau in ihrem schwarzen Loch, mit einem großen Becher Eis und schmalzigen Schlagern aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Wenn das funktioniert, gut. Aber für mich heißt es nach dem Song von Billy Ocean When the Going Gets Tough, the Tough Get Going sinngemäß: Wenn es hart auf hart kommt, hole ich die Teigschüssel!
    Ich rief James an jenem Abend zwei Mal an, beide Male schaltete sich die Mailbox ein. Dann machte ich meinen Computer an und fand dank der Wohltaten sozialer Netzwerke heraus, dass er in verschiedenen Blogs online war und offensichtlich fröhlich chattete, eben nur nicht mit mir. Als ich einen Beitrag aufgespürt hatte, den er auf einer obskuren Musik-Site gepostet hatte, weil er Hilfe mit seinen Lautsprechern brauchte, war mir klar, dass es Zeit war, mich auszuloggen und etwas anderes zu tun. Ich saß mit schmerzendem Herzen und pochendem Kopf da und fragte mich, was in aller Welt los war  – er kümmerte sich also um die Elektrik in seinem Wohnzimmer?!
    Ich bin eigentlich keine großartige Köchin. Wenn man allein lebt, kostet alles außer Fertiggerichten zu viel Arbeit und zu viel Zeit, und wenn ich koche, vergeht mir immer schon bei der Zubereitung der Appetit. Aber Backen  – Backen liebe ich. Kuchen, Kekse und der ganze Süßkram sind ja gut, wenn es einem schlecht geht, aber ich mag auch die Stringenz dieses Prozesses. Wenn man die Zutaten korrekt abwiegt, wenn man Butter und Zucker aufschlägt, bis sie die richtige Konsistenz haben, und wenn dann der Kuchen die richtige Zeit im Ofen ist, kann
man etwas Herrliches erschaffen  – und man kann den Leuten um einen herum die Früchte seiner Arbeit schenken, als stille Entschuldigung dafür, dass man ständig herumläuft wie ein geprügelter Hund oder ein Gesicht macht wie sieben Tage Regenwetter.
    Um ein Uhr nachts beschloss ich also, Ingwerkekse zu backen. Ich weiß nicht, warum mich ausgerechnet das ansprach, aber ich war überzeugt, dass es die richtige Wahl war. Ich hatte fast schon eine Flasche Wein getrunken, konnte also nicht mehr Auto fahren. Ich zog meinen Mantel an und ging zu einer Tankstelle mit einem kleinen Supermarkt, der rund um die Uhr geöffnet hatte.
    Da ich normalerweise mitten in der Nacht nicht tanke und auch sonst nichts einkaufe, wusste ich nicht, dass die Türen verschlossen sind und man durch ein vergittertes Fensterchen bedient wird  – wie im Gefängnis. Geld und Ware werden durch einen kleinen Schlitz unter dem Fenster geschoben. Das machte meinen nächtlichen Backanfall komplizierter als nötig.
    Zunächst erklärte mir der Verkäufer unbeugsam, dass er mir außer Benzin, Zigaretten oder Kondomen gar nichts verkaufen würde. Nachdem ich fünf Minuten auf ihn eingeredet hatte, meinte er grummelnd, ja, Mehl hätten sie wohl. Nachdem ich ihn geknackt und das Mehl bekommen hatte, musste ich nicht mehr lange betteln, um ihm auch eine Tüte Zucker abzuringen, doch als ich ihn bat, mir Butterpackungen zu zeigen, sodass ich mir ungesalzene Butter aussuchen konnte, sprühte der Hass aus seinen Augen. Er machte kurzen Prozess, als ich dann auch noch nach Ingwer fragte  – dass er den hätte, war natürlich höchst unwahrscheinlich, zugegeben, aber mein gebrochenes Herz und meine Trunkenheit hatten meinem Optimismus keinen Abbruch getan. Und statt Chocolate Chips verkaufte er mir einen Früchteriegel und Nussschokolade, die ich raspeln konnte. Als
ich dann das Geld für meinen überteuerten Einkauf durch den Schlitz schob und er mir erst eine Plastiktüte und dann jeden Gegenstand einzeln reichte, floss ich derart über vor Dankbarkeit für seine Liebenswürdigkeit, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Während ich nach Hause wankte, dachte ich, auch ihm wären die Tränen

Weitere Kostenlose Bücher