Das geheime Verlangen der Sophie M.
Lehrer, der Druck auf den Gemeinderat ausüben will.«
Ian lächelte. »Das darfst du selbst rausfinden – deshalb bezahlen wir dir ja so ein mittelmäßiges Gehalt. Aber der Gemeinderat, den du letzte Woche zu den Kürzungen des Etats der Bücherei interviewt hast, ist Vorsitzender des Schulrats. Vielleicht kriegst du etwas aus ihm heraus, vielleicht sogar unter der Hand.«
Ich nickte. »Ich rufe ihn an, bevor ich aufbreche. Aber wenn ich gleich gehe, kann ich noch persönlich mit der Rektorin sprechen und zu Schulschluss auch einen möglichen Aufstand der Eltern miterleben.«
»Ich möchte nur, dass du ein Gefühl für das bekommst, was dort vorgeht. Sieh dir die Sache erst an, dann können wir entscheiden, wie wichtig sie ist. Ruf mich an, wenn du so ungefähr weißt, was los ist.«
Ich brach auf, notierte mir aber erst noch an meinem Schreibtisch die Telefonnummer meines Kontaktmanns. Mein fauler Nachmittag war dahin, aber ich war ganz aufgeregt bei der Aussicht, diese Story zu machen, vor allem weil die Zeit lief.
Ich hätte James gleich eine SMS schicken und ihn warnen sollen, dass es bei mir spät werden könnte. Doch bis ich genauer wusste, wie viel Arbeit ich mit der Geschichte hätte, schien es sich nicht zu lohnen, die Pferde scheu zu machen. Als ich mit
der – störrischen und verständlicherweise wütenden – Rektorin sowie mit ein paar Müttern, die vor der Schule warteten, gesprochen hatte, war klar, dass der Artikel keine Bagatelle war und ich zurück ins Büro gehen und ihn schreiben musste. Um halb fünf saß ich im Wagen vor dem Haus des Gemeinderates und schrieb James eine SMS, denn es zeichnete sich ab, dass ich es vor sieben Uhr nicht zu ihm schaffen würde.
Tut mir echt leid, habe total viel Arbeit. Können wir unser Treffen ein bisschen verschieben? x
Erst eine Stunde später antwortete er mir. Ich verließ gerade den Gemeinderat mit einem Notizbuch voller Hintergrundinformationen, mit denen ich die Zitate der Eltern stützen könnte. Stirnrunzelnd las ich:
O. K. Lass mich wissen, wann du einen Abend frei hast, wenn du mich treffen willst.
So ein Quatsch! Ich las noch einmal die Nachricht, die ich ihm geschickt hatte, und plötzlich wurde mir klar, dass er gedacht hatte, ich würde ganz absagen, dabei wollte ich ihm nur sagen, dass ich eine (na ja, realistisch gesehen: zwei) Stunde später kommen würde. Ich wollte ihm schon antworten, merkte aber, dass das noch angespannter klingen würde. Ich warf mein Handy in die Tasche und beschloss, die Sache nach Feierabend zu klären.
Natürlich ist es ein Witz, um halb sechs Uhr abends mit dem Auto durch die Stadt fahren zu wollen. Als ich wieder im Büro war und meine Arbeit erledigt hatte, war es so spät, dass es egal war, ob er mir oder ich ihm abgesagt hatte oder was auch immer
geschehen war. Ich fand es schade, dass wir uns nicht sehen konnten, und dass es ihn kaum zu stören schien, machte das Ganze noch schlimmer. Verglichen mit seinen früheren lockeren Messages, war seine SMS kühl gewesen. Ich wollte eine SMS nicht nach der Anzahl der X (für Küsse) interpretieren, aber mir fiel trotzdem auf, dass sie im Lauf des Tages verschwunden waren.
Ich rief ihn von zu Hause an, seine Mailbox schaltete sich ein. Ich hinterließ eine kurze Nachricht, ging schnell ins Bad und dann ins Bett. Ich war erschöpft, aber nicht in der Art und Weise, die ich mir zu Beginn dieses Tages vorgestellt hatte.
Am nächsten Tag mailte ich ihm und erkundigte mich, ob wir uns gegen Ende der Woche treffen könnten. Bei seiner vagen Antwort fragte ich mich, ob er je wirklich etwas von mir gewollt hatte. Ich hakte das Ganze als eine weitere Erfahrung ab, pfefferte die Slips und den dazu passenden BH in die Unterwäscheschublade und hoffte auf eine andere Gelegenheit, bei der ich sie tragen könnte. Aber eben nicht für James. Ich war enttäuscht, sagte mir dann aber, dass ich von seinem sexy Lächeln, seinem scharfen Verstand und seiner mantelteilenden Ritterlichkeit doch nicht so angetan war.
Ritterlichkeit wird sowieso gern überschätzt. Das redete ich mir die ganze Woche über ein, aber ich wusste, dass ich mich selbst verarschte. Am Montag wurde ich schwach und schickte ihm einen Link auf einen Eintrag in einem politischen Blog, der ihn, wie ich wusste, zur Weißglut treiben würde.
Gleich darauf antwortete er. Lächelnd sah ich vor mir, wie er seine langatmige Schimpftirade in seinen BlackBerry tippte.
Ganz ruhig und besonnen antwortete
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