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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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aufgelesen, Charlie?« Charlie Montgomerys schwarzes Haar war so glatt wie Öltuch, und das Licht blitzte darauf, als er den Kopf wandte.
    »Ach, denken Sie sich nichts dabei, so ist Corin eben. Er ist ein bisschen aus der Übung, weiter nichts. Er ist ein entfernter Verwandter von mir. Seine Familie wohnt hier in New York, aber er lebt schon seit Jahren im Westen, im Oklahoma-Territorium. Er ist zum Begräbnis seines Vaters in der Stadt«, erklärte Charlie.
    »Wie ausgesprochen merkwürdig«, wiederholte Bathilda. »Ich hätte nie gedacht, dass gute Manieren eine Frage der Übung sein könnten.« Über diese Worte lächelte Charlie vage. Caroline warf einen Blick auf ihre Tante und sah, dass diese nicht einmal ahnte, wie unbeliebt sie war.
    »Was ist mit seinem Vater geschehen?«, fragte sie Charlie zu ihrer eigenen Überraschung.
    »Er saß in einem der Züge, die vergangenen Monat im Park-Avenue-Tunnel zusammengestoßen sind. Das war eine ziemliche Katastrophe«, erzählte Charlie und verzog das Gesicht. »Von siebzehn Toten wird jetzt berichtet, und fast vierzig Verletzten.«
    »Wie schrecklich!«, hauchte Caroline. Charlie nickte zustimmend.
    »Sie müssen die Züge unbedingt elektrisch betreiben. Auch die Signale müssen automatisiert werden, dann können schläfrige Fahrer keine solchen Tragödien mehr verursachen«, erklärte er.
    »Aber wie sollte ein Signal funktionieren, wenn niemand es bedient?«, fragte Caroline. Doch Bathilda seufzte leicht, als sei sie gelangweilt, und Charlie Montgomery entschuldigte sich und ging weiter.
    Caroline suchte die Menge nach dem bronzefarbenen Haar des Fremden ab und merkte, dass er ihr leidtat – wegen seines Verlustes und weil er unter Bathildas kaltem, erbarmungslosem Blick so ungeschickt mit ihrer Hand umgegangen war. Den entsetzlichen Schmerz, einen nahen Verwandten zu verlieren, konnte sie nur zu gut nachfühlen. Geistesabwesend nippte sie an ihrem Wein, der in ihrer Hand warm geworden war und in ihrer Kehle brannte. Sie spürte den Druck der Smaragde auf ihrer Brust und den fließenden Stoff ihres Kleides, wie Wasser an ihren Oberschenkeln, als sehnte ihre Haut sich plötzlich danach, berührt zu werden. Als Corin einen Moment später an ihrer Seite erschien und um einen Tanz bat, nahm sie die Aufforderung stumm und mit einem verblüfften Nicken an, denn das Herz schlug ihr bis zum Hals, sodass sie nicht sprechen konnte. Bathilda funkelte ihn an, doch er blickte nicht einmal auf und bemerkte es gar nicht, was ihr den Ausruf entlockte: »Also wirklich !«
    Sie tanzten einen langsamen Walzer. Caroline, die sich darüber gewundert hatte, dass Corin einen so langsamen Tanz abgewartet hatte, dazu noch so spät am Abend, vermutete den Grund in seinen unsicheren Schritten und der vorsichtigen Art, wie er sie hielt. Sie lächelte ihn schüchtern an, und erst sprachen sie gar nicht. Dann sagte er:
    »Bitte, Sie müssen mir verzeihen, Miss Fitzpatrick. Das vorhin, und … Ich fürchte, ich bin kein guter Tänzer. Es ist lange her, dass ich zuletzt das Vergnügen hatte, einen solchen Ball zu besuchen oder mit einer so … äh …« Er zögerte, und sie schlug die Augen nieder, wie sie es gelernt hatte. Doch sie konnte den Blick nicht lange abwenden. Sie spürte die Hitze seiner Hand in ihrem Rücken, als sei da nichts zwischen ihrer Haut und seiner. Auf einmal fühlte sie sich nackt, aufgewühlt und beunruhigt, aber auch aufgeregt. Sein Gesicht war tief gebräunt, und die Sonne hatte seinen Brauen und seinem Schnurrbart einen warmen Ton verliehen. Sein Haar war gekämmt, aber nicht mit Brillantine frisiert, und jetzt fiel ihm eine ungezähmte Strähne in die Stirn, sodass sie beinahe die Hand gehoben hätte, um sie zurückzustreichen. Er beobachtete sie mit hellbraunen Augen, und sie glaubte, eine Art verwunderte Freude darin zu sehen.
    Als der Tanz zu Ende war, nahm er ihre Hand, um sie von der Tanzfläche zu geleiten, und ihr Handschuh blieb an der rauen Haut seiner Handfläche hängen. Ohne darüber nachzudenken, drehte sie seine Hand in ihrer um und betrachtete sie, rieb mit dem Daumen über die schwieligen Hügel am Ansatz der Finger und verglich die Breite seiner Handfläche mit ihrer. Ihre Hand wirkte in seiner wie die eines Kindes, und sie holte schon Luft und öffnete den Mund, um den Gedanken auszusprechen, als ihr klar wurde, wie unschicklich das wäre. »Fühlen Sie sich nicht wohl, Mr. Massey?«, fragte sie.
    »Doch … mir geht es gut, danke. Es ist ein wenig

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