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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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gelblich-weiße Farbe, vor der die wirbelnden Schneeflocken erst schwarz erschienen, dann vor den kahlen Bäumen weiß wurden und schließlich zu Boden sanken.
    »Als kleiner Junge hatte ich immer ein bisschen Angst davor, hier Schlittschuh zu laufen. Ich habe jeden Moment damit gerechnet, ins Eis einzubrechen«, bemerkte Corin lächelnd. Er machte kleine, vorsichtige Schritte, die eher nach Gehen aussahen denn nach Eislaufen.
    »Sie hätten sich keine Gedanken zu machen brauchen, Mr. Massey. Zu Beginn des Winters lassen sie fast das ganze Wasser ab, damit der Rest auch sicher durchfriert.« Caroline lachte. Die beißende Kälte rötete ihre Wangen und ließ ihren Atem in weißen Wölkchen um ihre Köpfe hängen. Caroline schob die behandschuhten Hände in die Manteltaschen und glitt in einem großen, anmutigen Kreis um Corin herum.
    »Sie sind sehr gut darin, Miss Fitzpatrick. Viel besser als ich!«
    »Meine Mutter war sehr oft mit mir hier, als ich noch ein kleines Mädchen war. Aber ich bin schon lange nicht mehr Schlittschuh gelaufen. Bathilda hat nichts dafür übrig.«
    »Wo ist Ihre Mutter jetzt?«, fragte Corin und ruderte unbeholfen mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Auf der Krempe seines Huts hatte sich Schnee angesammelt, der ihm ein beinahe festliches Aussehen verlieh.
    »Meine Eltern sind verstorben. Vor acht Jahren«, sagte Caroline und blieb vor Corin stehen, der schweigend zuhörte. »Als sie eines Abends gerade auf dem Heimweg waren, gab es eine Explosion in einer Fabrik, an der sie vorbeikamen. Eine Wand stürzte ein, und … ihre Kutsche wurde darunter begraben«, erzählte sie ihm leise. Corin streckte die Hände aus, als wollte er sie festhalten, ließ sie dann aber wieder sinken.
    »Welch ein tragisches Unglück. Das tut mir sehr leid«, sagte er.
    »Charlie hat mir von Ihrem Vater erzählt, und mir tut es auch leid«, sagte Caroline und fragte sich, ob ihm die Parallele ebenso aufgefallen war wie ihr – das Albtraumhafte, Klaustrophobische an dem jeweiligen Unglück, durch das sie beide ihre Eltern verloren hatten. Sie blickte auf ihre Schlittschuhe hinab. Ihre Zehen wurden allmählich taub. »Kommen Sie, Mr. Massey – laufen wir weiter, ehe wir am Eis festfrieren!«, schlug sie vor und streckte ihm die Hand hin. Er verzog das Gesicht, als sie ihn hinter sich her zog und er dabei unsicher auf seinen Schlittschuhen wackelte.
    Als auf dem Eis schließlich ein solches Gedränge herrschte, dass man kaum mehr vorwärtskam, tranken sie heiße Schokolade im Pavillon. Von ihrem Tisch am Fenster aus sahen sie zu, wie kleine Jungen halsbrecherisch zwischen den Erwachsenen herumflitzten. Caroline bemerkte, dass ihr das Winterwetter nicht so zu schaffen machte wie sonst. Vielleicht genügte allein Corins Nähe, um sie zu wärmen – ihr Blut schien davon schneller zu fließen als je zuvor.
    »Sie haben ganz außergewöhnliche Augen, Miss Fitzpa trick«, sagte Corin mit schüchternem Lächeln. »Sie leuchten vor dem Schnee dort draußen wie Silberdollars!« Caroline wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Sie war es nicht gewöhnt, Komplimente zu bekommen, also blickte sie verschämt in ihre Tasse hinab.
    »Bathilda sagt, ich hätte kalte Augen. Es sei ein Jammer, dass ich nicht die blauen Augen meines Vaters geerbt habe«, bemerkte sie und rührte langsam ihre Schokolade um.
    Doch Corin streckte den Zeigefinger aus, hob ihr Kinn an, und sie spürte seine Berührung wie einen elektrischen Schlag. »Ihre Tante irrt sich«, erklärte er entschieden.
    Sein Antrag kam kaum drei Wochen später, als das Eis in den Parks zu schmelzen begann und der verwaschene Himmel ein tieferes Blau annahm. Corin suchte sie an einem Dienstagnachmittag auf. Er wusste, dass er sie allein antreffen würde, denn ihre Tante spielte an Dienstagen immer Bridge mit Lady Atwell. Als Sara ihn einließ, schoss die Hitze in Carolines Wangen, und ihre Kehle wurde trocken. Sie stand auf, um ihn zu begrüßen, aber ihre Beine wollten ihr nicht recht gehorchen. Eine berauschende Mischung aus Freude und Schrecken überkam sie stets, wenn sie ihn sah, und mit jedem Mal wurde sie aufgelöster. Sie brachte kein Wort heraus, und als Sara die Tür schloss, warf sie ihrer Herrin heimlich ein aufgeregtes Lächeln zu.
    »Wie freundlich von Ihnen, mich zu besuchen«, stieß Caroline schließlich mit einer Stimme hervor, die ebenso zitterte wie ihre Hände. »Ich hoffe, es geht Ihnen gut?«
    Anstelle einer Antwort drehte

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