Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
Vom Netzwerk:
Zirkus mitgenommen hat, Sara?«, murmelte sie mit einem gespenstischen Lächeln.
    »Wer ist Sara?«, fragte Magpie mit scharfer Stimme. »Ich bin Magpie, Ihre Freundin, Mrs. Massey.«
    Caroline öffnete die Augen und begegnete im Spiegel dem Blick der jungen Ponca.
    »Ja, natürlich«, sagte sie tonlos, um die Tatsache zu überspielen, dass sie einen Moment lang nicht mehr gewusst hatte, wer oder wo sie war.
    Während Magpie ihre Arbeit verrichtete, setzte sie William immer öfter auf Carolines Schoß. Das tat sie vor allem dann, wenn Caroline mehrere Stunden lang nicht gesprochen hatte oder nicht auf Fragen antwortete, sondern nur mit versteinerter Miene dasaß. Das Kind, inzwischen zehn Monate alt, begann bald zu zappeln und auf ihr herumzuklettern, sodass sie gezwungen war, ihn festzuhalten, zu stützen und ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
    »Singen Sie ihm etwas vor, Mrs. Massey. Erzählen Sie ihm die Geschichte vom Garten Eden«, drängte Magpie. Und obwohl Caroline weder Geschichten noch Lieder in ihrem Herzen finden konnte, rang sie sich für den Kleinen ein schwaches Lächeln ab, und ihre Hände erwachten so weit zum Leben, dass sie ihn kitzeln, halten und in die richtige Position rücken konnte. Sie verzog nicht das Gesicht, als er an ihrem Haar zerrte. William betrachtete sie mit seinen seltsamen, samtigen dunklen Augen und schenkte ihr dann und wann ein nasses Grinsen. Und hin und wieder hob Caroline ihn hoch und drückte ihn an sich, die Augen fest geschlossen, als beziehe sie Kraft aus seinem kleinen Körper. Magpie hielt sich stets in der Nähe, wenn sie das tat, bereit, ihr das Kind wieder abzunehmen, wenn die Umarmung ihm zu viel wurde und er zu weinen begann.
    Den Sommer über verbrachte Caroline lange Stunden auf der Veranda, wo sie mit dem Fuß Corins Schaukelstuhl anstupste und dann mit geschlossenen Augen dem Geräusch lauschte, mit dem er vor und zurück knirschte, vor und zurück. Sie versuchte, nicht nachzudenken. Sie versuchte, sich nicht zu fragen, was hätte sein können, wenn sie nicht den Kojoten die Schuld für ihre nächtlichen Ängste gegeben hätte. Sie versuchte, sich nicht zu fragen, was hätte werden können, wenn sie diesen Albtraum nicht gehabt hätte, wenn sie sich nicht so vor der Wildnis gefürchtet, wenn sie ein stärkerer Mensch gewesen wäre – besser, anpassungsfähiger. Mutiger. Nicht jemand, der einen Mann wegen ein paar wilder Hunde in den Tod schickte. Sie weinte, ohne es zu bemerken, und lief mit salzigen Krusten im Gesicht herum. Und sie hatte kein Kind von ihm, das sie behalten und großziehen und dem sie leise und traurig erzählen könnte, wie golden und großartig sein Vater gewesen war. Nicht einmal diese Spur von Corin war ihr als Trost geblieben. Sie starrte auf den weiten, fernen Horizont und ließ ihrer Angst davor freien Lauf. Den ganzen Tag lang saß sie da und fürchtete sich. Sie wusste nicht, wie sie sich sonst bestrafen sollte, und fand, dass tiefstes Elend genau das war, was sie verdiente.
    Einige Wochen später klopfte Hutch respektvoll an die Haustür. Wäre Caroline seit Corins Tod nicht so geistesabwesend, so völlig nach innen gekehrt gewesen, dann hätte sie bemerkt, wie sehr der Mann litt und dass er ihr aus dem Weg ging, weil er sich selbst die Schuld an Corins Unfall gab. Er war dünner geworden, weil er nichts mehr herunterbrachte. Der Unglücksfall hatte ihn zu tief getroffen. Die Falten in seinem Gesicht wirkten ausgeprägter, obgleich er noch keine fünfunddreißig Jahre alt sein konnte. Die Schuldgefühle lasteten schwer auf ihm, und die Trauer ließ ihn altern, zeichnete ihn, genau wie Caroline, doch sie besaß nicht die Kraft, Trost zu spenden. Nicht einmal Hutch. Sie kochte ihm Kaffee und stellte ernst und ohne jede Befriedigung fest, dass sie endlich einmal guten, starken Kaffee gebraut hatte, nicht schwach wie sonst, bitter oder angebrannt. Sie stellte sich vor, wie Corin ihn trank, stellte sich das Lächeln vor, das sich langsam auf seinem Gesicht ausbreitete, und die Komplimente, die er ihr gemacht hätte – wie er den Arm um ihre Taille schlang und sie schmatzend auf die Wange küsste. Liebste, das ist der beste Kaffee, den ich je getrunken habe! Selbst ihre kleinsten Triumphe hatten ihn mit Stolz erfüllt. Solche Gedanken ließen sie taumeln. Sie zogen ihr die Beine unter dem Körper weg.
    »Mrs. Massey, Sie wissen, wie ungern ich Sie belästige, aber da gibt es ein paar Dinge, um die Sie sich kümmern müssen«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher