Das Geheime Vermächtnis
erschossen, und wir mussten sie für die verdammten Kojoten da draußen liegen lassen. Dieses tapfere Pferd!« Er brach ab, Tränen liefen ihm über die Wangen.
Caroline blinzelte. »Tja«, sagte sie schließlich, ganz langsam, wie betrunken. »Dann müssen Sie wohl wieder hinaus und sie zurückholen. Corin will kein anderes Pferd reiten als sie.« Hutch blickte verwirrt zu ihr auf. »Ist der Arzt denn noch nicht da?«, fragte sie und wandte sich wieder dem Bett zu. Ein dunkler Wasserfleck ruinierte den seidenen Quilt und breitete sich um Corin herum aus. Zornig verfärbte Flecken erblühten unter der Haut an seiner Brust und den Armen, wie ein hässliches Erröten. Seine rechte Schulter saß in einem seltsamen Winkel am Körper, und sein Kopf fiel nach links, immer nach links. Caroline schob die Hände unter die Decken, um nachzusehen, ob er schon wärmer wurde, doch sein Fleisch war kalt und fest und fühlte sich irgendwie falsch an. Sie legte den Kopf neben seinen und weigerte sich, auf die leise, von Grauen erfüllte Stimme in ihrem Hinterkopf zu hören, die längst wusste, dass er tot war.
Sie begruben Corin auf seinem eigenen Land, auf einer grünen Anhöhe etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt und in großem Abstand zu der Süßwasserquelle. Der Pastor kam aus Woodward und versuchte Caroline davon zu überzeugen, dass es angemessener wäre, ihren Mann auf dem Friedhof im Ort beizusetzen, doch da Caroline zu erstarrt war, um ihm zu antworten, hatte Hutch das letzte Wort. Er bestand darauf, dass Corin sich gewünscht habe, auf der Prärie beerdigt zu werden. Angie Fosset und Magpie standen Caroline an diesem Tag zur Verfügung und schnürten sie in ein geborgtes schwarzes Kleid, das ihr zu groß war und in weiten Falten an ihrem mageren Körper hing. Dazu trieben sie einen Hut mit Schleier und zwei langen, schwarzen Straußenfedern auf, die hinter ihr her wippten.
»Haben Sie seiner Familie geschrieben, Caroline?«, fragte Angie, während sie Carolines verfilztes Haar mit der Bürste bearbeitete. »Liebes, haben Sie seiner Mutter geschrieben?« Doch Caroline antwortete ihr nicht. Sie besaß nicht mehr genug Willenskraft, Luft zu holen und Worte zu formen. Angie warf Magpie einen finsteren Blick zu und nahm das Ponca-Mädchen zu einer geflüsterten Beratung beiseite. Caroline versuchte nicht, etwas davon zu verstehen. Sie führten sie auf die Anhöhe, wo sie am Grab stand, während der Pastor vor der versammelten Menge von Ranchern, Nachbarn und zahlreichen Einwohnern von Woodward die Leichenpredigt hielt. Der Himmel war trüb. Ein warmer Wind rüttelte an dem Kranz aus weißen Rosen auf dem Sarg und trug ein paar vereinzelte Regentropfen heran.
Sobald die gebührenden Gebete beendet waren, ging Hutch ein paar Schritte um das Grab herum und blieb am Kopf des Sarges stehen. Die Trauergemeinde wartete mit respektvoll niedergeschlagenen Augen, und als Hutch schwieg, warteten sie geduldig weiter und blickten nur hin und wieder zu ihm auf. Sogar Caroline hob schließlich den verschleierten Blick, um nachzusehen, was da geschah. Dann endlich holte Hutch tief Luft und sprach mit tiefer, sanfter und zugleich fester Stimme.
»Der Herr Pastor hier hat eine hübsche Rede gehalten, und ich weiß, dass sie tröstlich gemeint war. Und manchen mag der Gedanke, dass Corin Massey uns ins himmlische Königreich vorangegangen ist, ein Trost sein. Ich hoffe, dass ich irgendwann auch Trost in diesem Gedanken finden werde. Ich hoffe, es gefällt ihm dort. Ich hoffe, es gibt prächtige Pferde und weites, grünes Land, auf dem er reiten kann. Ich hoffe, der Himmel dort hat die Farbe eines Sonnenuntergangs über der Prärie mitten im Frühling. Aber heute …«, er hielt inne, weil seine Stimme brach, »heute hoffe ich, dass Gott mir vergeben wird, wenn ich nicht einsehen kann, warum er uns Corin so früh genommen hat. Nur heute, glaube ich, dürfen wir es ungerecht und grausam finden, dass unser wunderbarer Freund von uns gegangen ist. Denn wir werden ihn schrecklich vermissen. Ich werde ihn schrecklich vermissen. Mehr, als ich in Worte fassen kann. Er war der Beste von uns, und man konnte schwerlich hoffen, irgendwo einem gerechteren oder gütigeren Mann zu begegnen.« Hutch schluckte, und zwei Tränen rannen ihm über die Wangen. Er wischte sie grob mit dem Handrücken weg, räusperte sich und begann zu singen:
»Where the dewdrops fall and the butterfly rests,
The wild rose blooms on the prairie’s crest,
Where the coyotes
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