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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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hat mir erzählt, dass der kleine Eddie viel mit unserem Harry gespielt hat, als er da war«, bemerkt sie.
    »Ja, sie haben sich prächtig verstanden. Eddie ist ein toller Junge. Er nimmt jeden, wie er ist«, sage ich.
    »Tja, Beth war auch immer so ein liebes Mädchen. Da ist es wohl kein Wunder.« Mo nickt. Sie pustet auf ihren Tee, und ihre Oberlippe kräuselt sich genau wie die von Grandpa Flag. Diese auffallende Ähnlichkeit, dieses Anzeichen dafür, wie viel Zeit vergangen ist, versetzt mir einen leichten Schlag. Mo – eine alte Frau.
    »Ja. Sie ist … eine wunderbare Mutter«, sage ich.
    »Bei Gott! Ich komme mir uralt vor, wenn ich dich so erwachsen vor mir sehe, Erica. Und Beth … hat selbst schon ein Kind, nicht zu fassen!« Mo seufzt.
    »Na ja, immerhin bist du jetzt Großmutter.«
    »Ja. Darauf waren wir noch nicht ganz gefasst, aber ich bin jetzt Großmutter«, sagt sie.
    »Ach, hör endlich auf damit, Mum. Das hatten wir jetzt schon hundert Mal«, ruft Honey genervt aus. Mo hebt die Hand, macht eine versöhnliche Geste und fährt sich dann müde über die Augen.
    »Bei Gott, das kann man wohl sagen«, brummt sie. Doch dann lächelt sie wieder. Wir sitzen einen Moment lang schweigend beisammen, während Haydee im Schlaf leise schmatzt.
    »Mo, ich wollte dich etwas fragen – wenn es dir nichts ausmacht?«
    »Schieß los«, sagt sie, aber sie verschränkt die Finger im Schoß, als wollte sie sich wappnen, und ich sehe eine gewisse Anspannung um ihre Augen.
    »Also, ich wollte dich bitten, mir noch einmal zu erzählen, warum Grandpa Flag eigentlich Flag genannt wurde. Ich weiß, irgendjemand hat mir das schon einmal erklärt, als wir klein waren – aber ich kann mich nicht mehr richtig daran erinnern …« Bei diesen Worten entspannt sie sich und löst die Finger voneinander.
    »Ach! Na, das ist eine leichte Frage. Eigentlich hieß er ja Peter, aber der Name Flag, so wurde mir die Geschichte erzählt, kommt daher, dass er ein Findelkind war. Wusstest du das? Mickeys Großeltern haben ihn eines Tages im Wald gefunden, mitten in einem Teppich Sumpflilien – diese gelben Blumen, die hier in der Gegend auch marsh flags heißen, kennst du die? So ähnlich geht jedenfalls die Geschichte. Zweifellos hat ihn irgendein junges Mädchen ausgesetzt, das sich in Schwierigkeiten gebracht hatte.« Der letzte Satz trägt ihr ein rebellisches Stirnrunzeln von Honey ein. »Also haben sie ihn bei sich aufgenommen, ihn großgezogen wie ihr eigenes Kind und ihm den Namen Peter gegeben. Aber Mickeys Großmutter nannte ihn meistens ihr ›Baby aus den Lilien‹ oder so ähnlich, und der Spitzname Flag ist hängen geblieben.«
    »Jetzt weiß ich es wieder. Auf einem Teppich aus Sumpflilien …« sage ich, und ich kann mich erinnern, den ganzen Rest der Geschichte schon einmal gehört zu haben, bis auf diesen Teil. Mir kommt eine Ahnung, und mit einem Kribbeln im Magen begreife ich, dass da eine Einzelheit nicht ganz stimmt. »Weißt du, wann das war? In welchem Jahr?«
    »Du lieber Himmel, nein! Tut mir leid. Das muss irgendwann zu Anfang des letzten Jahrhunderts gewesen sein, aber genauer kann ich es dir nicht sagen. Armes kleines Würmchen. Kannst du dir vorstellen, ein Baby einfach so auszusetzen? Ohne zu wissen, ob es jemand findet oder ob es einfach da liegen und qualvoll zugrunde gehen wird? Schrecklich, dass jemand so etwas tun kann.« Mo schlürft ihren Tee. »Aber eines darf man nicht vergessen: Wenn eine Frau damals ein Kind hatte, wollte sie niemand mehr haben. Sie hätte weder eine Anstellung noch einen Mann noch sonst irgendwas bekommen.« Sie schüttelt den Kopf. »Elende Mistkerle.«
    »Weißt du, wo sie ihn gefunden haben? Wo in England, meine ich.«
    »Na, hier natürlich. In Barrow Storton. War ein Kind aus dem Dorf, von wem auch immer.«
    Ich lasse diese Information sacken und erwäge kurz, den anderen meine Überlegungen mitzuteilen, entscheide mich aber doch dagegen. Er erscheint mir plötzlich zu groß, dieser unglaubliche, verstörende Gedanke, der mir da gekommen ist. Und er klingt an etwas an, das Dinny gestern im Café gesagt hat.
    »Warum fragst du?«, will Mo wissen.
    »Ach, reine Neugier. Ich habe ein bisschen in der Familiengeschichte der Calcotts herumgestöbert, seit ich wieder hier bin. Ich versuche, mich an möglichst vieles zu erinnern, die Lücken zu schließen«, sage ich achselzuckend. Mo nickt.
    »So ist das immer. Wir warten, bis die Menschen, die unsere Fragen beantworten könnten,

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