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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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immer verlor. Caroline störte sich nicht daran, solange diese Vorliebe ihn alle paar Wochen nach London führte und sie dadurch einige Tage Ruhe vor ihm hatte.
    Am zweiten Tag nach seiner Abreise hüllte beständiger Regen das Haus in einen nassen Vorhang. Der Blick aus dem Fenster bot nur Grau, Braun und matte Grüntöne, ein matschiger Streifen Landschaft, verschwommen hinter dem Regen auf den Scheiben. Caroline saß dicht beim Feuer im Salon und las einen schwülstigen Roman von einer Frau namens Elinor Glyn. Ihre Augen überflogen den Text, und ihre Gedanken waren bei dem Kind unter ihrem Herzen. Sie fragte sich, warum sie nicht sagen konnte, was sie fühlte, wann sie es Henry sagen sollte, und weshalb sie das nicht längst getan hatte. Die Antwort auf die letzte Frage kannte sie – weil es unerträglich bitter war, Henry Calcott die frohe Kunde mitzuteilen, nachdem sie sich so lange vergeblich danach gesehnt hatte, sie Corin überbringen zu können. Das Dienstmädchen, eine schüchterne junge Frau namens Estelle, unterbrach ihre Gedanken mit einem leisen Klopfen.
    »Bitte um Verzeihung, Mylady, aber da ist eine Frau, die Sie sprechen möchte«, verkündete Estelle mit ihrem feinen Stimmchen.
    »Eine Frau? Was für eine Frau?«
    »Sie wollte mir ihr Anliegen nicht sagen, Mylady, aber sie hat mir ihren Namen genannt. Eine Mrs. Cox. Soll ich sie hereinbitten?«
    Caroline saß da wie erstarrt. Eine lange Pause entstand, während derer sie Schritte näher kommen hörte.
    »Nein!«, brachte Caroline schließlich hervor und stand abrupt auf, doch es war zu spät, denn Mrs. Cox schob sich an Estelle vorbei und blieb vor Caroline stehen. Von ihrem Saum tropfte Wasser auf den Perserteppich. Sie fixierte Caroline mit finsterem Blick und entschlossen gerecktem Kinn. »Das wäre alles, danke, Estelle«, flüsterte Caroline.
    Mrs. Cox sah ungeheuer dick aus, doch als sie ihren Regenmantel aufknöpfte, wurde der Grund dafür sichtbar. William schlief, warm, sicher und trocken unter dem Mantel in einer Schlinge, die Mrs. Cox aus einem kräftigen Baumwollstoff angefertigt hatte.
    »Ich verstehe nicht, was Sie sich dabei denken!«, rief Mrs. Cox schließlich aus, als klar wurde, dass Caroline keine Worte fand. »Dieses Kind so lange Zeit bei mir zu lassen … Ich begreife überhaupt nicht, was das soll!«
    »Ich …« Doch Caroline hatte keine Antwort für sie. Mit sorgsam gewahrter Neutralität hatte sie sich passiv in ihr Schicksal gefügt, und in diesem Stück war für William keine Rolle vorgesehen. Sie hatte sich von jedem Gedanken an ihn losgesagt, von jeglicher Verantwortung. Ihn jetzt wiederzusehen, da er gerade aufwachte, vom plötzlichen Licht und der frischeren Luft geweckt, traf sie wie ein Schlag in die Magengrube, wie eine harte Lanzenspitze aus Liebe, gespickt mit Schuld und Angst. »Wie haben Sie mich gefunden?«, war alles, was ihr einfiel.
    »Das war nicht so schwer, immerhin wurde in sämtlichen Zeitungen über Ihre Hochzeit berichtet. Ich habe noch ein wenig abgewartet, weil ich dachte, Sie wollten das Kind nur sicher und ruhig unterbringen, bis die Hochzeit vorüber war, aber dann wurde mir klar, dass Sie ihn überhaupt nicht wieder abholen wollten! Das hatten Sie gar nicht vor, nicht wahr? Dabei ist er so ein lieber, gesunder Junge … Ich verstehe nicht, was Sie sich dabei denken!«, wiederholte Mrs. Cox mit erstickter Stimme. Sie holte ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Augen. »Und jetzt habe ich noch mehr Unkosten, weil ich mit dem Zug fahren musste, und die Umstände, ihn bei diesem Regen zu Fuß hierherzubringen, ohne dass er sich den Tod holt …«
    »Ich bezahle Sie. Für die Zugfahrt, und … für die Zeit, die er bei Ihnen verbracht hat. Ich kann Ihnen sogar noch mehr bezahlen – hier!« Caroline eilte zur Kommode, holte ein Portemonnaie voller Münzen heraus und hielt es der Frau hin. »Werden Sie ihn jetzt behalten?«, fragte sie unvermittelt, und ihre Stimme bebte vor Angst. Mrs. Cox starrte sie an.
    » Ihn behalten? Was soll das heißen? Ich bin kein Pflegeheim, bitte sehr! Sie sind seine Mutter – ein Kind gehört zu seiner Mutter. Und sehen Sie sich nur an, was für ein Leben er hier haben wird!« Sie wies auf den prachtvoll ausgestatteten Raum. »Ich habe genug Mäuler zu füttern und genug kleine Leiber, für die ein Schlafplatz gefunden werden muss, ohne mir noch ein Kind aufzuhalsen!« Die Frau wirkte ganz außer sich. Caroline konnte nur dastehen und verzweifelt mit ansehen,

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