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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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burische Schützen verteidigt, bis die Twin Peaks erobert waren und die verfluchten Burschen sich zurückzogen!« Henry fuchtelte lebhaft mit dem Messer herum. »Er wurde selbst verwundet und war halb verdurstet, doch er blieb an meiner Seite, obwohl er hätte fliehen können. Von meinen übrigen Männern war nur noch eine blutige Masse übrig, eine Szene wie aus der Hölle. Aber der Krieg hat ihn verändert … Er wurde schließlich aus gesundheitlichen Gründen entlassen, wenngleich sie sich nie ganz einig waren, was dem guten Mann fehlte. Er hat da draußen teilweise den Verstand verloren, würde ich sagen. Eines Tages hat er einfach aufgehört zu reden, zu essen, und wollte nicht mehr von seiner Pritsche aufstehen, ganz egal, wer es ihm befahl. Ich musste mich einschalten und ein gutes Wort für ihn einlegen. Mittlerweile geht es ihm viel besser, aber er hat es nie ganz geschafft, wie der in sein ziviles Leben zurückzufinden. Er ist beim Hufschmied hier im Ort in die Lehre gegangen, doch damit war es bald vorbei. Dann konnte er die Miete nicht mehr bezahlen und wurde aus seinem Häuschen geworfen, und seither lebt er auf der Straße. Ich habe ihm gesagt, dass er hierbleiben kann, solange er keinen Ärger macht, und das hat er nie getan. Also bleiben sie.« Henry wischte sich mit einer gestärkten weißen Serviette ein Stück Kartoffel aus dem Schnurrbart. Caroline betrachtete ihren Teller und zappelte nervös.
    »Er lebt auf der Straße, sagst du? Sie reisen also im Land herum und sind nicht oft hier?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Sie sind recht oft hier. Der Lagerplatz liegt in der Nähe ihrer beider Familien, und Dinsdale bekommt hin und wieder Arbeit, weil sein Name hier bekannt ist – Kesselflickerei und Ähnliches. Also, fürchte ich, wirst du dich an sie gewöhnen müssen, meine Liebe. Aber sie brauchen dich nicht zu bekümmern – ja, wenn du diesen Winkel des Anwesens meidest, wirst du ihnen gar nicht begegnen«, sagte Henry bestimmt, und Caroline wusste, dass die Angelegenheit für ihn damit beendet war. Sie schloss die Augen, und dennoch konnte sie sie spüren. Sie fühlte, dass sie da waren – oder vielmehr, dass William da war, keine zweihundert Schritte von dem Tisch, an dem sie gerade zu Abend aß. Wenn er für immer dort bliebe, um sie ständig an alles zu erinnern, würde sie langsam daran zugrunde gehen, das wusste sie. Sie betete darum, dass die Dinsdales das Kind irgendwo abgeben oder weiterziehen und das Objekt ihrer Schuld und Qual mit fortnehmen würden.
    Als ihr Baby zur Welt kam, weinte Caroline. Es war ein kleines Mädchen, so winzig und vollkommen, dass es ihr gar nicht wirklich erschien, sondern wie ein magisches Wesen. Die alles überstrahlende, verzehrende Liebe, die Caroline für ihre Tochter empfand, zeigte ihr nur umso deutlicher, wie ungeheuerlich ihr Verbrechen an Magpie war. Der bloße Gedanke , von ihrem Kind getrennt zu werden, war schmerzlich genug. Also weinte Caroline, aus Liebe und Selbsthass, und nichts, was man ihr sagte, konnte sie trösten. Henry tätschelte ihr ratlos den Kopf und konnte seine Enttäuschung kaum verhehlen, weil er eine Tochter und keinen Sohn bekommen hatte. Estelle und Mrs. Priddy sagten Caroline immer wieder, was für ein wunderschönes Mädchen die Kleine war und wie gut sie selbst ihre Sache gemacht hatte, was nur neue Tränen hervorrief, die sie der Erschöpfung zuschrieben. Nachts quälten sie Träume von Magpie mit brennendem Herzen, fiebrig glänzenden Augen, die dahinschwand und an ihrem Kummer starb. Und wenn sie erwachte, bereitete ihr der Makel ihres Verbrechens solche Kopfschmerzen, dass sie glaubte, ihr Schädel würde zerspringen. Das Baby wurde in weiße Spitze gekleidet und Evangeline getauft. Vier Monate lang liebte Caroline sie bis zum Wahnsinn, und dann starb das kleine Mädchen eines Nachts in seinem Bettchen, und keiner der drei herbeigerufenen Ärzte konnte die Ursache dafür feststellen. Ihr Leben erlosch ganz einfach wie eine flackernde Kerze, und Caroline war am Boden zerstört. Das bisschen Lebenswille, das ihr nach Corins Verlust noch geblieben war, floss nun aus ihr heraus wie Blut aus einer Wunde, und nichts war geblieben, das diese Blutung hätte stillen können.
    An einem Dienstag Monate später ging Caroline hinunter in die Küche, wo Mrs. Priddy und Cass Evans gerade einen Korb mit Gemüse aus dem Garten zusammenstellten, als Lohn für Robbie Dinsdale. Er befand sich außer Sicht in der

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