Das Geheime Vermächtnis
Muster aus rosa Röschen und blauen Bändern, die im Katalog so entzückend ausgesehen hatte, wirkte in Angies kräftiger Hand so zerbrechlich und kindisch wie ein Spielzeug. »Die Einsamkeit macht manchen Frauen zu schaffen. Niemanden zu sehen – na ja, keine anderen Frauen –, und das wochenlang. Manchmal für Monate. Es kann einen ganz schön verrückt machen, den ganzen Tag lang allein im Hause zu sein.«
»Ich finde … genug, um mich zu beschäftigen«, entgegnete Caroline zaghaft, verblüfft über die Direktheit dieser Frau.
»Wie wir alle, keine Frage.« Angie macht eine kurze Pause. »Kinder helfen da auch, wenn sie erst da sind. Es geht nichts über ein Haus voll kleiner Kinder, wenn man Abwechslung braucht, das kann ich Ihnen sagen!« Caroline errötete leicht bei diesen Worten. Sie konnte es kaum erwarten, ihr erstes Baby zu bekommen. Sie sehnte sich nach einem kleinen Kind in ihren Armen, nach weicher Babyhaut und dem Gefühl, als neue Familie vollkommen zu sein. Nach der Gewiss heit, Wurzeln geschlagen zu haben.
»Corin wünscht sich fünf«, sagte sie schüchtern.
»Fünf! Du lieber Gott, da haben Sie eine Menge Arbeit vor sich, Mädchen!«, rief Angie mit breitem Grinsen aus. »Aber – Sie sind ja noch jung. Lassen Sie viel Zeit dazwischen, das rate ich Ihnen. Dann können die Älteren Ihnen schon mit den Kleinsten helfen. Also, wenn Sie in anderen Umständen sind, lassen Sie es mich auf jeden Fall wissen. Dann werden Sie mehr Hilfe brauchen, und jemanden mit Erfahrung. Vergessen Sie nicht, dass ich da bin, und schicken Sie mir eine Nachricht, wenn Sie irgendetwas brauchen.«
»Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen«, sagte Caroline, die insgeheim sicher war, dass sie solche Hilfe nicht benötigen würde. Tief im Herzen war sie gewiss, dass ihre Kochkünste zwar nicht besser wurden und ihr Körper sich nicht an die schwere Hausarbeit gewöhnte, ihre wahre Berufung aber die Mutterschaft war.
Als Angie sie etwa eine Stunde später wieder verließ, brach sie nicht in Richtung ihrer Farm auf, sondern zu den Pferchen, wo einige der Männer noch arbeiteten. Caroline selbst wagte sich kaum dorthin, denn sie scheute die Männer und war unsicher, weil sie zu wenig über ihre Arbeit wusste, obwohl Corin sie oft drängte, mehr über die Leitung der Ranch zu lernen. Was sie bisher gesehen hatte, war ihr brutal erschienen. Tiere wurden grob zu Boden gerissen, ihre Hörner abgesägt, die Köpfe in stinkende, brennende Brühe getaucht, um Parasiten abzutöten, und das Emblem der Massey-Ranch, MR , in ihr Fell eingebrannt. Sie fand es entsetzlich, wie sie vor Grauen mit den Augen rollten, die so weiß und verletzlich aussahen. Doch als sie beobachtete, wie Angie seelenruhig ihr Pferd zu Hutch hinüberführte, der gerade im nächsten Pferch das Brandmarken von Kälbern beaufsichtigte, fühlte Caroline sich plötzlich ausgeschlossen. Hastig legte sie ihre Schürze ab, setzte ihre Haube auf und ging rasch in dieselbe Richtung.
Hutch war an den Zaun gekommen, lehnte sich dagegen und beobachtete weiter das Brennen der Brandzeichen, während er sich mit Angie unterhielt. Caroline überlegte gerade, wie sie sich bemerkbar machen sollte, und ihre Nerven flatterten, als auf einmal ihr Name fiel. Sie blieb stehen und trat ein Stück beiseite, sodass der Schatten der Baracke sie verbarg. Der Gestank nach brennendem Fell und versengter Haut erstickte sie beinahe, und sie schlug sich die Hand vor den Mund, um ihr Würgen zu unterdrücken.
»Sie ist nicht besonders freundlich, was?«, bemerkte Angie und verschränkte die Arme. Hutch zuckte mit einer Schulter.
»Sie tut ihr Bestes, schätze ich. Kann nicht leicht für sie sein, wo sie doch so verweichlicht aufgewachsen ist. Ich glaube, sie ist noch nie weiter als eine Vierteilmeile am Stück zu Fuß gegangen, und nach allem, was ich von Corin höre, hat sie ganz sicher noch nie im Leben gekocht.«
»Ein Jammer, dass er sich nicht näher am Ort niedergelassen hat – sie hätte in der Schule unterrichten können oder so. Da hätte sie ihre feinen Manieren besser genützt als hier draußen«, entgegnete Angie und schüttelte wie missbilligend den Kopf. »Was halten denn die Jungs von ihr?«
»Schwer zu sagen. Sie kommt nicht oft aus dem Haus, sie reitet nicht aus, und schon gar nicht würde sie uns an einem heißen Tag Limonade bringen.« Hutch grinste. »Leidet zu sehr unter der Hitze, glaube ich.«
»Was hat Corin sich dabei gedacht, ein Greenhorn zu heiraten,
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