Das Geheime Vermächtnis
war zur Arbeit gegangen.
»Warum nimmst du dir so viel Zeit für dein Haar, Liebste? Hier wird sich niemand daran stören, wenn du es einfach zurücksteckst«, bemerkte Corin sanft, strich ihr das Haar aus dem feuchten Nacken und fuhr mit dem Daumen über die feinen Strähnen.
» Ich würde mich daran stören«, erwiderte Caroline. »Eine Dame kann nicht mit offenem Haar herumlaufen. Das gehört sich einfach nicht.« Doch sie glaubte herauszuhören, was er wirklich meinte, und stand fortan noch früher auf, um sich zurechtzumachen und trotzdem Zeit für sein Frühstück zu haben.
Wenn die Zisterne austrocknete, musste das Wasser aus dem Brunnen auf einer Anhöhe nördlich des Hauses geschöpft werden. Corin wies sie sogleich darauf hin, dass diese Quelle das reinste Wunder sei, weil der Großteil des Grundwassers in dieser Gegend mit Gips verunreinigt war und der enthaltene Schwefel den Gedärmen schadete und obendrein widerlich schmeckte.
»Nicht einmal das beste Haus in Woodward hat so nah so gutes Wasser. Die holen es immer noch auf Karren aus dem Süden!«, erklärte er ihr stolz.
Es dauerte lange, Wasser auf dem Herd zu kochen, und da Holz sehr knapp war, stellten die Kuhfladen, die Caroline an Hutchs Lagerfeuer zum ersten Mal begegnet waren, meist den einzigen Brennstoff dar. Sobald Caroline jedoch erfuhr, dass es sich um getrockneten Kuhdung handelte, weigerte sie sich prompt, sie zu sammeln, und konnte sich nur überwinden, sie zu benutzen, indem sie sie mit einer eisernen Zange in den Ofen schob.
Unweit der Ranch war ein flacher Bach, den die Rancher als Toad Creek bezeichneten. An dessen Ufern zog sich ein schmaler Streifen wuchernder Pappeln, Prärie-Pflaumen und Walnussbäume entlang, die der Ranch ein wenig willkommenes Grün schenkten.
»Warum können wir nicht einfach am Bach Holz schlagen?«, fragte Caroline und rümpfte die Nase, als Hutch, ein wenig verdrossen über diese neue Aufgabe, einen Korb voll Kuhfladen bis an die Tür lieferte.
»Tja, Ma’am, das könnten wir schon. Aber nur ein paar Monate lang, dann müssten wir doch wieder die Kuhfladen nehmen und hätten zudem keine Bäume mehr, die uns die Aussicht verschönern«, erklärte Hutch trocken.
Jeden Morgen musste das Wasser geholt, der Ofen ausgekehrt und neu befeuert und das Frühstück zubereitet werden, und dann gab es Töpfe zu schrubben und Wäsche zu waschen. Caroline war es gewöhnt, dass schmutzige Kleidung abgeholt und zwei Tage später wieder zurückgebracht wurde, sauber, gebügelt und ordentlich gefaltet. Sie staunte, als sie feststellte, wie viel Arbeit in diesen zwei Tagen steckte – und dann der endlose Kampf gegen den Sand im Haus und auf der Veranda. Sie musste sich außerdem um ihren verwelkenden, armseligen Gemüsegarten kümmern. Corin hatte ihr stolz die Samen präsentiert, die er bei einem Nachbarn eingetauscht hatte. Wassermelonen und Kürbisse, Erbsen und Bohnen. Er hatte ihr auch zwei winzige Kirschbäumchen gekauft, die sie sehr gewissenhaft goss und um die sie sich sorgte, wenn der Wind sie peitschte. Sie fühlten sich in der roten Erde nicht wohl und gediehen nicht recht, sosehr Caroline sie auch hegte. Dann musste das Mittagessen zubereitet werden, es gab Kleidung zu flicken und danach Abendessen zu kochen. Caroline war keine gute Köchin. Sie ließ die Spiegeleier anbrennen und vergaß, das Fleisch zu salzen. Gemüse wurde zu weich, das Fleisch zäh, und ihre Bohnen waren in der Mitte hart und krümelig. Ihr Kaffee war schwach, ihr Brot wollte nicht aufgehen und kam so fest aus dem Ofen, dass es kaum zu kauen war. Jedes Mal, wenn sie sich entschuldigte, beruhigte Corin sie.
»Du wurdest so erzogen, dass du das alles nie gelernt hast, weiter nichts. Du bekommst den Dreh schon noch raus.« Tapfer schluckte er alles herunter, was sie ihm vorsetzte. Jedes Mal, wenn ihre Hände schmutzig wurden, wusch sie sie sofort, denn sie verabscheute das Gefühl von Dreck an ihrer Haut und die dunklen Halbmonde aus Erde und Schmutz unter den Fingernägeln. Sie schrubbte sich täglich so oft die Hände, dass die Haut rot und gereizt und schließlich rissig wurde. Am Ende des Tages saß sie da, die Hände im Schoß, und trauerte deren verlorener Zartheit nach.
Ein heißes Bad war nur zu bekommen, indem man mühselig Wasser zu einem großen Kupferkessel schleppte, Feuer darunter machte und dann eimerweise die Zinkwanne füllte. Sie stand hinter einem hölzernen Wandschirm, den Caro line eigens bestellt hatte, um
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