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Das Geheimlabor

Das Geheimlabor

Titel: Das Geheimlabor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerritsen Tess
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sie sich die Bilder vorstellte, die ihm durch den Kopf zogen. Bestimmt sah er sie auf diesem albernen Himmelbett nur mit Handschellen bekleidet.
    „Ich habe es nur als Gefallen getan ...“
    „Als ... Gefallen?“
    „Ich war voll bekleidet! Mit einem Overall. Ich war als Klempner gedacht.“
    „Ein weiblicher Klempner?“
    „Es war ein Notfall. Einer seiner Models kam an dem Tag nicht, und er brauchte jemanden mit einem durchschnittlichen Gesicht. Ich denke, das trifft auf mich zu. Durchschnittlich. Und es ging wirklich nur um mein Gesicht.“
    „Und deinen Overall.“
    „Richtig.“
    Sie sahen einander an und lachten auf.
    „Ich kann erraten, was du gedacht hast“, sagte sie.
    „Ich will nicht einmal andeuten, was ich gedacht habe.“ Er sah sich um. „Hast du nicht etwas von Essen gesagt?“
    Sie ging zum Kühlschrank, fand darin Filme, Pickles, gummiartige Möhren und eine halbe Salami. Im Tiefkühlfach entdeckten sie wahre Schätze: gemahlenen Kaffee und einen Laib Brot.
    Lächelnd drehte sie sich um. „Ein Festmahl.“
    Sie saßen auf dem Himmelbett und knabberten an Salami und halb gefrorenem Brot und spülten alles mit Kaffee hinunter. Es war ein bizarres kleines Picknick mit Papptellern mit Pickles und Möhren auf ihrem Schoß, während Scheinwerfer wie ein halbes Dutzend heißer Sonnen von der Decke herunterstrahlten.
    „Warum hast du das über dich gesagt?“ fragte er und sah zu, wie sie an einer Möhre kaute.
    „Was gesagt?“
    „Dass du durchschnittlich bist.“
    „Weil ich durchschnittlich bin.“
    „Das glaube ich nicht, und ich bin ein guter Menschenkenner.“
    Sie betrachtete ein Wandposter eines von Hickeys Supermodels. „Also, daran komme ich bestimmt nicht heran.“
    „Das“, sagte er, „ist pure Fantasie. Das ist keine echte Frau, sondern eine Mischung aus Make-up, Haarspray und falschen Wimpern.“
    „Oh, das weiß ich. Es ist mein Job, Schauspieler in das Fantasieprodukt von Kinogängern zu verwandeln. Nein, ich meinte unter all dem, tief drinnen, fühle ich mich durchschnittlich.“
    „Ich halte dich für ganz außergewöhnlich. Und nach der letzten Nacht sollte ich das wissen.“
    Sie blickte auf die schlaffe Möhre hinunter, die wie eine kleine Leiche auf dem Pappteller ausgestreckt lag. „Es gab eine Zeit ... ichnehme an, für jeden gibt es einmal diese Zeit, wenn man noch jung ist und sich als etwas Besonderes fühlt ... wenn man meint, die Welt sei nur für einen da. Das letzte Mal habe ich mich so gefühlt, als ich Jack heiratete.“ Sie seufzte. „Es hat nicht lange gedauert.“
    „Warum hast du ihn geheiratet?“
    „Ich weiß es nicht. Vielleicht war ich beeindruckt. Ich war erst dreiundzwanzig, ein Lehrling auf dem Set. Er war der Regisseur.“ Sie machte eine Pause. „Er war der Traummann schlechthin.“
    „Er hat dich beeindruckt, nicht wahr?“
    „Jack kann sehr beeindruckend sein. Dann gab es auch noch Champagner, Abendessen, Blumen. Ich glaube, ihn hat an mir gereizt, dass ich ihm nicht sofort verfallen bin. Ich war für ihn eine Herausforderung. Sobald er mich erobert hatte, wandte er sich größeren und besseren Dingen zu. Damals erkannte ich, dass ich nur eine absolut durchschnittliche Frau bin. Das ist kein schlechtes Gefühl. Ich gehe nicht durch das Leben und sehne mich danach, eine andere zu sein.“
    „Wen betrachtest du denn dann als etwas Besonderes?“
    „Also, meine Großmutter, aber sie ist tot.“
    „Verehrungswürdige Großmütter kommen immer auf die Liste.“
    „Na schön, dann Mutter Teresa.“
    „Die steht auf jeder Liste.“
    „Kate Hepburn. Gloria Steinern. Meine Freundin Sarah ...“ Ihre Stimme verklang. „Aber sie ist auch tot ...“
    Er ergriff sanft ihre Hand. „Erzähl mir von Sarah.“
    Cathy schluckte. „Sie war wunderbar. Es war der Ausdruck in ihren Augen. Eine perfekte Ruhe. Als hätte sie genau gefunden, was sie wollte, während wir anderen noch nach dem verlorenen Schatz graben. Sie war so tapfer. Viel tapferer, als ich jemals sein könnte ...“ Sie räusperte sich. „Sarah war etwas Besonderes. Manche Menschen sind es einfach.“
    „Ja“, murmelte er. „Manche Menschen sind es.“
    Sie blickte zu ihm hoch. Er starrte unendlich traurig vor sich hin. Leise fragte sie: „Wie war deine Frau?“
    Er antwortete erst nach einer Weile. „Sie war eine gütige Frau. Daran werde ich mich immer erinnern. An ihre Güte.“
    „Wie hieß sie?“
    „Lily. Lillian Dorinda Cassidy. Ein gewaltiger Name für eine so

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