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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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Welt. Das war die These, die mein Vater beweisen wollte.«
    »Lass mal sehen«, sagte Mason. Für ihre geringe Größe war die Glocke außerordentlich schwer; wahrscheinlich bestand sie aus reinem Gold. Die Seiten waren mit Schriftzeichen verziert, die wesentlich fließender aussahen als die wenigen hundert Ideogramme, die Gib ihm zu lesen beigebracht hatte. Die Kalligrafien schwammen wie Öl auf Wasser. Er merkte, wie sein rasender Herzschlag mit seinen Gedanken mitzuhalten versuchte.
    »Im frühen vierzehnten Jahrhundert befehligte Zheng-He die größte Schiffsflotte der Welt«, sagte Tree, »die Große Schatzflotte – mehr als zweihundert gemeinsam segelnde Schiffe.«
    »Das stellt selbst die Spanische Armada in den Schatten.«
    »Und zwar nicht nur in der Zahl«, sagte sie. »Seine Flaggschiffe blieben in den folgenden Jahrhunderten die größten der Welt: neunmastige Dschunken, hundertdreißig Meter lang, auf jeder fünfhundert Soldaten und Seemänner.«
    Mason pfiff anerkennend durch die Zähne. »Im Vergleich dazu hätte die Santa Maria wie ein Spielzeugboot ausgesehen.«
    »Zheng-Hes Auftrag lautete, fremde Zivilisationen zu entdecken, die mit dem chinesischen Kaiser Geschenke austauschen sollten. Auf seiner ersten Reise umsegelte er das Horn von Afrika – hundert Jahre vor Magellan – und brachte seinem Kaiser eine Giraffe, Löwen, Leoparden, arabische Pferde und einen Elefanten zurück.«
    »Das muss das Herrscherhaus ziemlich beeindruckt haben.«
    »Mehr als man glauben mag. Sie hielten die Giraffe für ein himmlisches Tier namens qilin, das in der chinesischen Mythologie eine von vier heiligen Kreaturen war – die anderen waren der Drache, der Phoenix und die Schildkröte. Der Kaiser finanzierte sechs weitere Expeditionen. Zheng-He erkundete die Arabische See und den Indischen Ozean und kehrte jedes Mal mit exotischeren Schätzen zurück. Er gelangte sogar bis nach Australien, dreihundert Jahre vor Käpt’n Cook. Doch die ganze Zeit über lautete sein Geheimauftrag, die Inseln der Unsterblichen zu finden und den Ling-Chih nach Hause zu bringen, den Pilz der Unsterblichkeit.«
    »Ah. Deswegen machte der Kaiser so viel Geld locker.«
    »Genau. Aber hör zu: Auf seiner letzten Reise segelte Zheng-He nach Indien und starb unterwegs. Die Flotte brach die Fahrt ab und erkundete stattdessen Sri Lanka und Indonesien; dann, nach einem Jahr, segelten die Schiffe nach China zurück.« Sie lächelte vage. »Alle bis auf eines.«
    Mason nickte. »Langsam verstehe ich.«
    »Der Kapitän hieß Ko Tung Jen. Er entdeckte den Schwarzen Strom – das, was wir die Japanische Strömung nennen – und segelte den sagenumwobenen Westländern entgegen. An Bord seines Schiffes gab es neben Soldaten und Seemännern auch Ziegen, Schweine, Kräuter, Samen, Obstbäume – und junge Mädchen.«
    Mason spürte, dass sich auf seinem Gesicht ihre Verwunderung widerspiegelte. »Genug, um eine Kolonie zu gründen.«
    »Das Jahr war 1432. Einige Archäologen sind überzeugt, dass er es bis in die Neue Welt schaffte – sechzig Jahre vor Kolumbus. Man fand einige Artefakte, die diese Behauptung stützen, aber niemand hat jemals Spuren einer chinesischen Kolonie entdeckt. Diese Kolonie zu finden war das Lebensziel meines Vaters.«
    Mason drehte die Glocke in der Hand. »Eine chinesische Siedlung in Südamerika«, murmelte er, »vorkolumbisch …«
    »Die einzigartige Theorie meines Vaters war, dass die Legende über El Dorado, die die spanischen Eroberer immer wieder von den Eingeborenen hörten, nicht von einem goldenen König in einer goldenen, im Amazonasgebiet verborgenen Stadt handelte, sondern dass El Dorado eine goldene Rasse war.«
    »Ko T’ung Jen und seine Leute.«
    Sie nickte. »Mein Vater verbrachte Jahre damit, El Dorados Lage einzugrenzen, basierend auf Aufzeichnungen von mehr als zwei Dutzend Expeditionen von Pizarro bis Humboldt. Er gelangte zu dem Schluss, dass El Dorado hier liegen muss, irgendwo in der Tepui-Region, zwischen dem Orinoko und dem Uraricoera im Norden und Süden und dem Paragua und dem Caura im Westen und Osten.«
    »Aber bestimmt nicht auf einemTepui. Wir befinden uns in dreitausend Meter Höhe.« Er schwenkte die Arme herum. »Nichts außer Felsen. Dies ist kein Ort, um eine Kolonie zu gründen. Wovon hätten sie sich ernähren sollen – von Moos?«
    »Wie sonst lässt sich dies erklären?« Sie nahm ihm die Manschette mit der Glocke aus der Hand. »Die rechtwinklige Glockenform ist

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