Das Geheimnis der 100 Pforten
fragte er.
»So in etwa.« Billy holte ein zweites Werkzeug heraus und einen Augenblick später ertönte ein weiteres Klicken.
»Jetzt«, sagte Billy. »Jetzt geht sie auf.« Er drückte gegen die Tür. Dann stellte er sich besser hin und stieß mit der Schulter dagegen. Schließlich machte er einen Schritt zurück und trat zu.
»Himmel noch mal!«, sagte er. »Hat die vielleicht jemand von der anderen Seite zugeschweißt? Soviel ich sehe, ist das Schloss nicht verriegelt. Sie müsste ganz einfach aufspringen.« Er trat noch mal zu.
»Darum habe ich ja die Axt genommen«, sagte Frank. »Wenn ich doch bloß den Schlüssel finden könnte!«
»Schlüssel hin oder her - das Schloss ist nicht verriegelt. Sie ist irgendwie anders abgeschlossen.«
»Na, vielleicht doch«, entgegnete Frank. »Bestimmt ist es ein ganz besonderer Schlüssel. Und eine ganz besondere Art von Schloss.«
»Es ist das gleiche Schloss wie in all diesen alten Häusern«, antwortete Billy. »Da ist nichts Besonderes dran.«
Sie schwiegen wieder.
»Ich hätte gleich die Kettensäge nehmen sollen«, sagte Billy schließlich. »Was ist denn damit passiert?«
»Zurückgeprallt. Abgerutscht und in den Teppich gefressen.«
»Hast du etwas dagegen, wenn ich es mal versuche?«
»Dann müssen wir sie erst freischneiden.« Frank zog ein Messer aus seinem Gürtel und ließ es aufschnappen. Er schnitt die Teppichstreifen weg, und Billy versuchte, die Säge herauszuziehen. Nach etwas Hin- und Hergezerre und zweimaligem heftigen Rucken bekamen sie die Säge frei. Billy untersuchte die Kette.
»Ein bisschen stumpf«, stellte er fest. »Und voller Teppichfasern.«
»Das war sie vorher nicht«, knurrte Frank. Billy zog am Anlasser und der Motor murmelte kurz. Er zog noch einmal und der Motor heulte ärgerlich auf. Beim dritten Zug erwachte er vollends und verpestete den Flur mit Abgasen.
Billy baute sich vor der Tür auf.
Als Henry, seine Cousinen, seine Tante und sein Onkel allesamt wieder gut zu Hause waren, hatte Henry insgesamt sechs verschiedene Limos (davon vier mit Koffein), zwei Würstchen und einen Hamburger zu sich genommen. Und jetzt musste er ganz schrecklich dringend aufs Klo.
Vor dem Badezimmerspiegel im Erdgeschoss rief er sich seine Baseball-Leistungen noch einmal ins Gedächtnis.
Er war zweimal Schlagmann gewesen und hatte sich
ausgesprochen achtbar geschlagen. Einer seiner Schläge war bis zu den Bäumen geflogen. Rechts außen hatte er einen Flugball vermasselt, dafür hatte er einen anderen gefangen und ihn fast bis zur zweiten Base geworfen. Zeke Johnson, der ein ganzes Stück kräftiger war als Henry, hatte ihn eingeladen, im Lauf der Woche mal bei ihm vorbeizuschauen. Ab Herbst würde Henry in Zekes Klasse gehen.
Henry drehte den Wasserhahn auf und sah zu, wie braunes Wasser von seinen Händen tropfte. Er hörte seine Cousinen schreien und lachen. Wenn seine Eltern zurückkämen, würde er nicht in Kansas zur Schule gehen. Irgendwie zog sich sein Magen zusammen. Er hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen. Nur ein paar Tage in einem anderen Haus, und er hatte sie schon vergessen. Vielleicht ging es ihnen furchtbar schlecht?
Andererseits, dachte er, lag es auch nicht nur an ihm, wenn er sie vergaß. Ein paar merkwürdige Dinge hatten ihn abgelenkt. Natürlich hoffte er, dass sie gefunden werden würden und zurückkehrten. Aber das würde auch passieren, ohne dass er sich darüber Gedanken machte. Jetzt spielte er Baseball und Zeke hatte ihn zu sich nach Hause eingeladen, und - das Wichtigste überhaupt - er musste herausfinden, was in seinem Zimmer vor sich ging.
Henry ging ins Wohnzimmer, wo seine Cousinen
Onkel Frank anbettelten, sie einen Film sehen zu lassen. Darauf hatte er keine Lust, also stapfte er an ihnen vorbei und hinauf in sein Zimmer. Er versuchte, traurig zu sein, wegen seiner Eltern. Als er am Fuß der Dachbodentreppe ankam, machte er einen Schritt hinauf, blieb dann aber stehen. Kalte Luft strömte ihm von oben entgegen. Er machte zwei weitere bedächtige Schritte, schnüffelte und lauschte. Die Luft roch nach Gras und feuchter Erde. Er konnte Bäume rauschen hören.
Der gesamte Dachboden, normalerweise der heißeste Ort des Hauses, war eisig kalt. Die Doppeltür stand offen und ein sanfter Wind kroch aus seinem Zimmer und an ihm vorbei. Das Licht war aus, aber draußen war es noch nicht ganz dunkel, darum konnte Henry von dort, wo er stand, seine Zimmerwand sehen. Die Fachtür stand offen. Henry
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