Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
nicht folgen.«
Adia sah ihn mitleidig an. »Die Wissenschaft muss den Menschen entwickeln, so wie der Mensch die Wissenschaft entwickelt«, sagte sie dann, als ob damit alles erklärt wäre.
»Wie meint Ihr das? Erläutert mir das genauer.«
»Ich werde es in einfache Worte kleiden, damit Ihr es verstehen könnt«, erwiderte sie. Offensichtlich machte sie sich über ihn lustig. Auf einmal fühlte Mondino sich unbehaglich, als wäre er der Einzige, der einen Scherz nicht verstand. »Aber sagt mir zuerst noch eines: Warum hat Euer Lehrmeister Euch geschickt und ist nicht selbst gekommen?«
»Er hatte keine Ahnung, dass Ihr eine gelehrte Alchimistin seid«, antwortete Mondino und rutschte unruhig auf der Bank hin und her. »Und er meinte, ich wüsste genug für ein Gespräch mit einer Kräuterhexe.«
Adia starrte ihn an, doch sie lächelte jetzt nicht mehr. »Zufälligerweise habe ich als Mann verkleidet einmal eine Anatomievorlesung von Mondino de’ Liuzzi besucht. Und jetzt erklärt mir, warum Ihr unter falschem Namen in mein Haus gekommen seid, Magister, und was Ihr für Erklärungen von mir erhofft.«
ZWÖLF
A ls der Junge in Begleitung der beiden Helfer auftauchte, die Guido hatte rufen lassen, trug dieser schon wieder seine getrockneten Kleider und gab dem Müller mit einem Dank die geliehene Tunika zurück. Der Junge streckte die Hand aus und forderte die versprochene Münze ein.
»Ich hatte gesagt, ich würde sie dir geben, wenn du schnell mit meinen Freunden zurückkämst«, fertigte ihn Guido ab. »Verschwinde, ehe du meine Füße zu spüren bekommst, weil du mich so lange hast warten lassen.«
Die Kunden und Schaulustigen, die vor der Mühle standen, lachten angesichts des enttäuschten Gesichtsausdrucks des Jungen, und ein alter Mann drückte ihm zum Trost einen Kanten Brot in die Hand. Guido hatte sich indessen bereits im Laufschritt auf den Weg zur Porta Galliera gemacht
- schließlich wusste er nicht, wie lange sich der Arzt bei der Kräuterhexe aufhalten würde, und er wollte die beiden unter allen Umständen überraschen.
»Wohin gehen wir?«, fragte einer der beiden Komplizen.
»Vor die Stadt«, antwortete Guido, ohne langsamer zu werden. »Wir müssen den Mann finden, der mich in den Kanal gestoßen hat.«
Durch das Fenster, unter dem er gelauscht hatte, hatte er Mondino von einer konvertierten Araberin reden hören, die eine Kräuterhexe war. Er lachte laut auf. Was wollte es schon heißen, dass sie konvertiert war, wenn die Frau Rituale vollzog, die im Widerspruch zum christlichen Glauben standen? Aber
darüber würde man zu gegebener Zeit noch befinden. Im Augenblick war nur wichtig, dass er sich genau erinnerte, wo sie wohnte: irgendwo an der Bova, hatte Mondino gesagt. Dort dürfte es nicht viele Araber geben.
»Sollen wir ihn töten?«
»Nein. Derjenige, der mich bezahlt, braucht ihn lebend. Allerdings hat er nicht genau gesagt, wie lebendig er sein muss.«
Die andern beiden lachten. Guido bediente sich oft ihrer, wenn er Unterstützung benötigte. Sie waren zuverlässig, schreckten vor nichts zurück und wussten, wie wichtig Verschwiegenheit war.
»Seid ihr bewaffnet?«
Sein Nebenmann schob einen Zipfel seiner Tunika aus grobem Hanf zur Seite und zeigte ihm ein schmales Schwert, das er zwischen Haut und Hemd verbarg. Der andere nickte nur.
»Bei ihm wird auch eine Frau sein«, informierte Guido die beiden. »Sie ist eine Hexe.«
Das hatte er gesagt, um zu sehen, wie sie reagierten. Denn er wollte nicht, dass die Männer im entscheidenden Moment flüchteten, weil sie sich vor einem Hexenfluch fürchteten. Die beiden schwiegen einen Augenblick, dann fragte der erste: »Wie ist sie?«
»Das weiß ich nicht.«
Der andere, der bisher geschwiegen hatte, grinste: »Hoffen wir mal, dass sie jung und zart ist und keine alte vertrocknete Schlampe. Muss sie auch am Leben bleiben?«
Guido glaubte nicht, dass der Inquisitor etwas dagegen einzuwenden hätte, wenn sie sich ein wenig mit der Hexe vergnügten.
»Nein«, erwiderte er. »Die braucht niemand.«
Bei näherer Überlegung stellte Mondino allerdings ebenfalls ein Problem dar, wenn er am Leben blieb. Er war ein bedeutender Mann, ein Magister des Studiums , der ihn anzeigen
und verhaften lassen könnte. Guido wusste genau, dass der Inquisitor sich, falls es Probleme gab, niemals gegen die Richter der Stadt stellen würde, um ihn zu verteidigen. Er musste schon selbst dafür sorgen, dass er nicht zu Schaden kam.
Guido
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