Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
war, verunstaltet und von Schmerzen an Körper und Seele gequält, und das dann mehr aus einem Instinkt heraus als einer bewussten Entscheidung folgend das geheime Versteck ihres Vaters in den Bergen um Granada aufgesucht hatte. Dies musste derselbe Ort sein wie der auf der Landkarte vermerkte. Derselben Landkarte, die Mondino der Leiche des Deutschen abgenommen hatte. Doch warum hatten die drei Tempelritter, die dem Vater diese Karte unter Folter entrissen hatten, das Mädchen nicht entdeckt?
Vielleicht würde er die Antwort darauf auf den nächsten Seiten des Tagebuchs finden, doch ihm blieb jetzt keine Zeit, um weiterzulesen. Nun stand fest, dass Fiamma die gesuchte Mörderin war, und sie musste so schnell wie möglich aufgehalten werden. Bestimmt hatte sie inzwischen Hugues de Narbonne getötet. Trotz der Schuld, die der Franzose auf sich geladen hatte, zog es Gerardo das Herz zusammen bei dem Gedanken, dass ausgerechnet er ihn gefesselt und mit einem Knebel im Mund den Händen der jungen Frau überantwortet hatte.
Auf einmal kamen ihm die letzten Worte von Fiammas Brief in den Sinn: Bald werde ich in meinem Grab liegen . Gerardo konnte an nichts anderes mehr denken; er hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür seiner Zelle und rief laut nach der Wache.
Mondino erwachte abrupt und mit einem unterdrückten Schrei aus dem Schlaf. Erst als sich sein Atem wieder beruhigt hatte, nahm er wahr, dass er sich in seinem Schlafzimmer befand und nicht in einem schlammigen Sumpf, wo ihn mit scharfen Piken bewaffnete Feinde verfolgten.
Er setzte sich auf, und als seine nackten Füße den kalten Boden berührten, wurde er endgültig wach. Er war zurückgekommen, während alle im Haus noch schliefen. Hatte nachgesehen, ob sein Vater in seinem Bett lag, war dann hinauf in sein Zimmer gegangen, wo er sich gerade noch die Schuhe ausziehen konnte, bevor er in seinen Kleidern eingeschlafen war.
Das Licht, das durch das Fenster hereinfiel, zeigte ihm an, dass der Morgen bereits fortgeschritten war. Ihn erwartete wieder ein langer Tag. Er würde Gerardo aufsuchen und ihm mitteilen, dass er ihm den ganzen Tag Zeit gab, um die Stadt zu verlassen, dann wollte er noch am selben Abend zum Dominikanerkloster gehen und mit dem Inquisitor reden. Es war sinnlos, darauf zu hoffen, dass sie den Mörder von Angelo da Piczano und Wilhelm von Trier fassen würden. Mondino war überzeugt, dass Gerardo nichts Brauchbares herausgefunden hatte. Er bereute nichts von dem, was er getan hatte, angefangen bei dem Abend, an dem er ihm geholfen hatte, die Leiche seines Freundes verschwinden zu lassen, bis zu seinem Kampf mit Guido Arlotti - bei dem er, wären Adias Mastinos nicht gewesen, auch sein Leben hätte verlieren können. Der Traum, eine vollständige Karte des menschlichen Gefäßsystems zu zeichnen, wog diese Risiken auf. Doch dieser Weg war hier zu Ende.
Er holte den Nachttopf unter dem Bett hervor und entleerte ihn aus dem Fenster, das auf den Garten hinausging, dann stellte er ihn an seinen Platz zurück. Diese Aufgabe kam sonst Lorenza zu, doch die Frau hatte schon zu viel mit seinem Vater zu tun.
Mondino ging zur Kommode, goss aus dem Krug Wasser in die Zinnschüssel und wusch sich das Gesicht, wobei er das Gefühl des kühlen Wassers auf der Haut genoss. Dann nahm er das Rasiermesser, seifte sich sorgfältig ein und begann sich zu rasieren, während er sich in dem Silberspiegel an der Wand betrachtete. Das Gesicht, das ihm aus dem Spiegel entgegenstarrte, sah nicht so aus, als gehöre es zu einem bedeutenden, in Italien und Frankreich bekannten Anatom. Er sah viel eher aus wie ein Beutelschneider vom Schlag eines Guido Arlotti und seiner Kumpane: Seine Augen waren gerötet, der Bart war lang, das Haar schmutzig.
Doch von morgen an würde sich alles ändern. Sein Leben würde wieder eine geordnete Folge aus Forschung, Lehre und Alltagsleben sein, ohne Fluchten, Verfolgungsjagden und Kämpfe. Ohne lebensbedrohliche Schwierigkeiten. Er würde sich bei Liuzzo entschuldigen und ihn bitten, seine Entscheidung, ihre Partnerschaft in der Medizinschule aufzulösen, zurückzunehmen. Und er würde versuchen, Gerardo aus seinem Kopf zu verbannen, der sich irgendwo in der Fremde sein Leben aus dem Nichts würde neu aufbauen müssen.
Als er mit dem Rasieren fertig war, zog Mondino sich ein sauberes Hemd und Hosen an und einen neuen feuerroten Talar, den er für besondere Anlässe aufbewahrt hatte. Er hatte nicht die Absicht, erschöpft und
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