Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
viele kleine Friedhöfe und zahllose Totengräber. Wenn einer von ihnen Mondino dabei geholfen hat, eine Leiche verschwinden zu lassen, wird er ganz sicher den Mund halten. Aber wenn man ihm Straffreiheit verspricht und vielleicht eine kleine Belohnung …«
»Handle nach deinem Gutdünken …«, fiel ihm Uberto ins Wort. »Hauptsache, es werden Beweise gefunden, dass Mondino darin verwickelt ist. Und natürlich brauchen wir auch den verschwundenen Leichnam.«
Guidos Miene verfinsterte sich erneut. »Das könnte sich als unmöglich erweisen. Wenn ich der Totengräber wäre, dem man eine solche Aufgabe anvertraut, würde ich die Leiche in ein Massengrab von Lepratoten werfen. So würde er mit ungelöschtem Kalk bedeckt und bald nicht mehr zu identifizieren sein.«
»Wir können immer noch hoffen, dass nicht alle mit so viel Intelligenz gesegnet sind wie du«, sagte Uberto und weigerte sich, ein Scheitern auch nur in Betracht zu ziehen. »Wenn du mir bringst, was ich suche, werde ich deinen Lohn verdoppeln.«
»Ich will auch eine Bescheinigung über Generalablass, und zwar mit Unterschrift des Erzbischofs.«
»Schlag dir das aus dem Kopf. Rinaldo da Concorezzo darf nicht einmal etwas von deiner Existenz ahnen, zumindest solange, bis die Prozesse gegen die Templer abgeschlossen sind.«
Guido verzog verärgert sein Gesicht. »Ich verstehe. Aber
Ihr wisst, dass ich über viele Sünden nicht bei der Beichte sprechen kann. Und inzwischen ist mehr als ein Jahr vergangen, seit ich den letzten Ablass erhalten habe.«
Er bezog sich auf die verschiedenen Gesetzesübertretungen bis hin zu Mord, die er auf eigene Faust oder im Auftrag von Kirchenmännern begangen hatte. Uberto wusste, dass er nicht der Einzige war, der auf Guidos Dienste zurückgriff. Er sollte ihn sich lieber gewogen halten.
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte er deshalb. »Sorg du dafür, dass du Ergebnisse erzielst.«
Endlich glitt ein Lächeln über Guido Arlottis breites Gesicht. »Ergebnisse sind meine Spezialität«, sagte er und verließ mit einer leichten Verbeugung das Zimmer.
Als Uberto zum Friedhof der Basilika zurückkehrte, war die dunkle Wolkendecke noch dichter geworden, doch er schätzte, dass man noch etwas arbeiten konnte, ehe es zu regnen anfing. Er schaute zu dem Bruder hinüber, dessen Strafe er geteilt hatte. Seit dem frühen Morgen mühte sich dieser ununterbrochen tief gebückt über den Gräbern. Uberto empfand aufrichtiges Mitgefühl mit ihm, dennoch musste er noch einmal von vorn beginnen.
Er ging zu ihm hinüber und erklärte ihm sanft, wie man vorgehen musste, man musste Unkraut für Unkraut einzeln und im Ganzen ausreißen.
»Aber dann brauchen wir ja Wochen, um alles zu säubern«, protestierte der andere und schaute mit schweißüberströmtem Gesicht zu ihm auf.
Die Güte verschwand so schnell aus den Zügen des Inquisitors, als wäre sie nie dort gewesen, und der Bruder entschuldigte sich hastig für seine Unverschämtheit. Dann kniete er sich auf den Boden und begann, mit der Sichelspitze in die Spalten zwischen den Grabplatten zu fahren.
Das war eine gute Idee. In einem Anfall von Demut beschloss Uberto, es ihm gleichzutun. Er klaubte von der Erde eine spitze Scherbe auf und grub damit das Erdreich rund um die Löwenzahnwurzel auf, bis es ihm gelang, sie im Ganzen herauszureißen, sogar bis zu ihrer dünnen Spitze. Dann warf er sie auf den Haufen zu den anderen Unkräutern und füllte das Loch wieder mit Erde auf, so dass im Boden nichts mehr davon zeugte, dass dort einmal eine Pflanze gewachsen war.
Gerardo lief durch den Regen. Die Kapuze seines Mantels hatte er sich über die Stirn gezogen. Er war müde wegen der durchwachten Nacht und der vielen Aufregungen, und alles Geschehene erschien ihm auf einmal unwirklich. Er hatte nicht nur für Angelos Seele gebetet, sondern Gott auch um Vergebung für die Art und Weise gebeten, wie er sich der Leiche hatte entledigen müssen. Die Vorstellung, dass sein Freund nun in einem Massengrab ruhte, auf dem nicht einmal ein Kreuz an seinen Namen erinnerte, schien ihm fast noch schrecklicher als dessen Tod.
Wie er mit Mondino vereinbart hatte, sollte er die Menschen suchen, mit denen Angelo da Piczano in den wenigen Tagen seines Aufenthalts in Bologna Kontakt gehabt hatte. Aber zunächst brauchte er Geld, da alles, was er besaß, verbrannt war. Ihm blieb nur noch das Geld in seiner Börse.
Sofort bei Anbruch des Tages hatte Gerardo die Medizinschule
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