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Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman

Titel: Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Steinkreuz aufbewahrt wurde, brieten zwei Bauern ein Stück Schwein. Vielleicht wussten sie nicht, dass sie damit ein Bußgeld von den städtischen Wachen riskierten. Gerardo gab vor, sie warnen zu wollen, nutzte jedoch die Gelegenheit, um sich umzusehen.
    Die Bauern sagten ihm, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, aber da war Gerardo schon weitergegangen. Auf Höhe des Turms der Asinelli bog er rechts ab, und schon befand er sich mitten im Viertel Trebbo dei Banchi. Plötzlich verspürte er erneut den unwiderstehlichen Drang sich umzudrehen, aber er wusste, dass er damit nur die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hätte und sich dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöhte, erkannt zu werden. Gerardo versuchte sich zu beruhigen und lief mit gesenktem Kopf weiter.
    So erreichte er den Laden von Remigio Sensi, dem Bankier des Vertrauens der Tempelritter. Der Bogengang über der Klappe, die nach dem Öffnen auf zwei Stützen gelegt wurde und so als Ladentheke diente, auf der man das Geld zählen und Schuldscheine unterzeichnen konnte, war zu hoch, um einen wirksamen Schutz gegen das schlechte Wetter abzugeben - vielleicht war die Luke deshalb geschlossen.
    Vorsichtig näherte sich Gerardo der geöffneten Tür. Direkt hinter dem Eingang standen in einem düsteren Flur zwei stämmige, in graue Haustuniken gekleidete Wachen. Als Gerardo die kurzen Degen an ihren Gürteln sah, wurde ihm klar, dass sie sich weniger im Inneren des Hauses aufhielten, um sich vor dem Regen zu schützen, sondern um nicht gegen das Verbot zu verstoßen, welches das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit untersagte. Als Gerardo ihnen sagte, dass er Remigio sprechen wolle, traten die beiden zur Seite und gaben ihm den
Weg in den fensterlosen Flur frei, der auch am helllichten Tag von einer Lampe beleuchtet werden musste. Gerardo zog sich den nassen Mantel aus, legte ihn auf einer Bank ab und betrat dann durch eine zweiflügelige Eichentür das Arbeitszimmer des Bankiers.
    Überrascht blieb er stehen, als er eine junge Frau vor sich sah, die über den Tisch gebeugt saß. Ihre blonden Haare waren von einem Schleier bedeckt, der in demselben Grünton gehalten war wie ihr reich besticktes Kleid. Mit einem schabenden Geräusch ließ sie die Feder über ein Blatt Pergament gleiten. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er eine Frau schreiben sah. Selbst seine Mutter, die des Lesens kundig war, musste ihre Briefe einem Schreiber diktieren.
    »Nur herein mit Euch, Messere«, sagte eine Männerstimme. Erst da bemerkte Gerardo den Bankier. Er stand genau an der Mitte eines Tisches, der den Raum teilte - ein älterer Mann mit spärlichem Haarwuchs, gierigem Blick, platter Nase und einem vorgewölbten Bauch, den auch das lange schwarze, gut geschnittene Gewand nicht völlig verbergen konnte. Hinter ihm an der Wand stand eine Geldtruhe mit zwei Schlössern, die einen höchst sicheren Eindruck machte; rechts und links davon befanden sich Regale voller Dokumente, die von Deckeln aus festem Leder zusammengehalten wurden.
    Gerardo ging zu dem Bankier und stellte sich vor, wobei er den Namen des Mitbruders nannte, der ihm geraten hatte, sich an ihn zu wenden. Dass er ebenfalls ein Tempelritter war, verschwieg er jedoch, immerhin wusste er nicht, ob er der jungen Frau vertrauen konnte.
    Wie zur Bestätigung seiner Gedanken bat Remigio sie, nach den Frauen in der Küche zu sehen. Sie legte den Gänsekiel hin, blies über die gerade geschriebenen Worte und bedachte den Bankier mit einem verärgerten Blick, der ganz bestimmt nicht der einer Dienerin war. »Ich habe dort erst vor kurzem nach
dem Rechten geschaut«, entgegnete sie. »Kann ich zuerst diesen Brief zu Ende schreiben?«
    Sie schien es absichtlich zu vermeiden, in Gerardos Richtung zu blicken, stützte sich mit einem Ellenbogen auf den Tisch und hatte sich dem Bankier seitlich zugewandt.
    Remigio Sensi seufzte laut. Es war wohl nicht das erste Mal, dass seine Anweisungen in Frage gestellt wurden. »Tu einfach, was ich dir gesagt habe«, meinte er leise.
    Die junge Frau blickte ihn an, als wollte sie ihm widersprechen, doch dann schien sie es sich anders zu überlegen. Sie nickte, erhob sich, und als sie hinter dem Tisch hervorkam, musste sie sich ganz zu Gerardo hinüberdrehen, so dass er nun die Narbe sah, die ihre linke Gesichtshälfte verunstaltete. Gerardo war beim Anblick dieser Entstellung tief betroffen, mehr noch aber rührte ihn der Blick aus ihren tiefen, dunklen Augen, die eine

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