Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
sagen, da seid Ihr aber der Erste. Also Euer Freund …«
»Was ist mit meinem Freund?«, fragte Gerardo sofort und zwang sich, seinen Zorn zu bezähmen. Im Moment war das Wichtigste, dass er etwas über Angelo erfuhr.
»Ihm hat es sehr gefallen. Er hat auch gesagt, dass er bald wiederkommen würde.«
Gerardo packte sie an der Kehle. »Du lügst!«, sagte er zornig. »Angelo würde niemals so etwas tun!«
Die Megäre antwortete nicht. In ihren Augen las Gerardo Trotz und Schläue. Inzwischen wusste sie, dass sie einen Fehler begangen hatte, als sie ihn eingelassen hatte. Sie schien beschlossen zu haben, dass sie von jetzt an gar nichts mehr sagen würde. Ihm blieb keine Zeit zum Nachdenken. Wenn sie um Hilfe schrie und jemand vorbeikam, konnte es für ihn sehr gefährlich werden. Es widersprach all seinen Instinkten, eine Frau zu schlagen, aber Gerardo überwand sich und versetzte ihr zwei saftige Ohrfeigen, wobei er mit der freien Hand immer noch ihre Kehle gepackt hielt, um sie am Schreien zu hindern. Sie knurrte einen Fluch und versuchte, mit der Faust nach ihm zu schlagen, doch Gerardo hielt sie am Handgelenk fest und drückte ihren Hals zu. Ihre raue Haut, die starke Körperbehaarung und ihr männliches Aussehen machten es ihm leichter, nicht seinem Mitleid nachzugeben.
Filomena begann zu jammern. »Was wollt Ihr von mir?«, röchelte sie. »Ich bitte Euch …«
»Du musst mir sagen, was du über Angelo weißt«, antwortete
Gerardo hart. »Dann lasse ich dich gehen. Wenn du versuchst zu schreien oder ich merke, dass du lügst, bringe ich dich um.«
Sie nickte, und diesmal stand echte Angst in ihren Augen. »Das ist gar kein Freund von Euch, oder?«, fragte sie. »Ihr wollt ihm schaden, ihn der Sodomie bezichtigen.«
Ohne die Hand von ihrer Kehle zu nehmen, überlegte Gerardo schnell. Wenn er das bestätigte, würde die Frau ihm nicht helfen, denn bei einem Prozess wegen Sodomie gegen einen ihrer Kunden würde auch sie zum Tode verurteilt. Andererseits wollte er ihr aber auch nicht sagen, dass Angelo tot war.
»Ich möchte ihm nur deutlich machen, dass er mir aus dem Weg gehen soll«, log er. »Jetzt, wo ich sein Geheimnis kenne, wird er vorsichtiger sein. Also los, rede.«
Er lockerte seinen Griff, und tatsächlich redete die Frau. Sie sagte, dass sein Freund eines Tages zu ihr gekommen sei und dabei den Namen eines Mannes genannt hätte, den sie gut kannte, daher hätte sie ihn eingelassen.
»Wie hieß dieser Mann?«
Sie schüttelte den Kopf und warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Gerardo drückte wieder fester zu, und nach kurzem Zaudern schlug er ihr mit der Faust ins Gesicht. Ehe er ihr jedoch noch einen Schlag versetzen konnte, gab Filomena nach.
»Er heißt Francesco«, stammelte sie, »ein Mönch aus dem Augustinerkloster.«
Bei diesen Worten schwindelte es Gerardo. Noch ein Mönch, der das eigene Gelübde auf die niederträchtigste Art und Weise brach.
»Und was hat Angelo mit dem Jungen gemacht?«, fragte er. Er empfand eine Mischung aus Zorn, Ekel und Scham, aber er musste alles wissen.
»Das, was alle machen«, antwortete die Frau und zuckte mit den Schultern.
Gerardo beschloss noch einmal, dass er diesen armen Jungen nicht hierlassen würde, und wenn er dafür dieses Mannweib töten musste.
Er bat sie, ihm alles zu wiederholen, was Angelo an diesem Abend gesagt hatte, aber sie zuckte wieder nur mit den Schultern. »Er hat nichts gesagt. Die Leute kommen nicht zum Plaudern zu mir.«
Gerardo drückte wieder kräftig ihre Kehle zu. Filomena riss die Augen auf. Sie machte ein Zeichen, dass sie reden wollte, und sobald sie wieder atmen konnte, hustete sie heftig.
Als der Hustenanfall vorüber war, stützte sie sich mit einer Hand auf den Tisch, als ob sie Halt bräuchte, und krächzte: »An etwas erinnere ich mich.«
»Woran?«
»An diesem Abend taten mir die Beine weh, wie jedes Mal, wenn in der Stadt Nebel aufkommt, denn als er gehen wollte, bin ich nicht aufgestanden, um ihm die Tür zu öffnen. Ich habe ihm gesagt, dass das die Gebrechen des Alters seien und habe ihm gewünscht, dass er seine Jugend genießen solle, solange es ging.«
»Und dann?«, fuhr Gerardo sie ungeduldig an.
»Er hat mich so seltsam angesehen und hat gesagt …«
»Was hat er gesagt?« Gerardo konnte sich nicht mehr zurückhalten.
»Er hat gesagt: ›Ich werde nicht alt. Und doch werde ich immer noch da sein, selbst wenn dein Haus schon unter der Last der Jahrhunderte eingestürzt ist.‹ Ich
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