Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
Vorhinein fest.
Jetzt, da die Vorstellung, im Gefängnis zu enden, für ihn immer wahrscheinlicher zu werden drohte, fühlte Mondino blanke Angst. Selbst für den Fall, dass seine Strafe mild ausfiele - und daran glaubte er keineswegs -, würde man ihm die Lehrerlaubnis entziehen und ihm vielleicht sogar verbieten, seinen Beruf als Arzt auszuüben. Wie sein Onkel richtig gesagt hatte, trug er nicht nur für sich die Verantwortung, sondern auch für seine Kinder. Und wenn man ihn verhaftete, würden gerade sie am meisten darunter leiden.
Es gab nur eine Möglichkeit, dem zu entgehen. Eine Möglichkeit, die ihn zwang, selbst etwas zu riskieren, wie bei einer Partie Würfel alles aufs Spiel zu setzen, und das mit höchst ungewissem Ausgang. Er musste seinem Schicksal zuvorkommen. Einfach nur darauf zu warten, dass das Schicksal unerbittlich zuschlug, entsprach nicht seinem Charakter.
»Ist alles nach Eurem Geschmack, Meister Mondino?«
Die Stimme des Mannes aus Syrakus schreckte ihn auf. Der frischgebackene Doktor machte seine Runde zwischen den Tischen, um sich davon zu überzeugen, dass seine Gäste auch zufrieden waren. Mondino hob den Blick vom Teller und meinte lächelnd: »Gewiss, dieser Hase schmeckt wirklich ausgezeichnet, und die Ravioli waren ebenfalls köstlich.«
Der Student dankte ihm und versicherte, dass die Braten noch besser sein würden, danach ging er weiter und fragte Liuzzo und die anderen Tischgäste. Mondino versank wieder in seinen Gedanken, während sich die Platten um ihn herum leerten, die Hasen in den gierigen Mündern verschwanden und man die Soße mit Brotstücken auftunkte.
Darauf wurde der Braten gereicht, der im ganzen Raum ein zustimmendes Raunen auslösten. Mondino bemerkte die üppig gefüllten Platten jedoch kaum. Er fühlte sich wie in einer unwirklichen Dimension, wie in einem Traum gefangen, in dem ihn keinerlei Sinneseindrücke erreichen konnten. Es tat ihm leid, dass er seinen Onkel gekränkt hatte, und er wusste, dass Liuzzo eine Entschuldigung erwartete, aber es gelang ihm nicht, sich so weit von seinen Gedanken zu lösen, dass er dazu imstande war.
Er nahm ein Stück Ziege, legte es auf eine Scheibe Brot vor sich und begann zu essen, vor allem, weil er nicht auffallen wollte. Sein ohnehin spärlicher Appetit war ihm nun vollends vergangen.
Sobald es zwischen den Gängen eine Pause gab, in der Musiker
heitere und ein wenig frivole Lieder anstimmten, nutzten die Gäste die Gelegenheit, um aufzustehen, sich die Beine zu vertreten und in den Garten zu gehen, damit sie sich dort erleichtern konnten. Auf diesen Moment hatte Mondino gewartet.
»Onkel, kann ich bitte mit Euch reden?«, fragte er.
Liuzzo drehte sich um, und als er sah, dass sein Neffe sich schon erhoben hatte, stand er ebenfalls auf. »Nur wenn du dich bei mir entschuldigen willst«, erwiderte er trocken.
Sie entfernten sich einige Schritte von der Tafel, die gerade abgeräumt wurde, damit die Tische für das Dessert und den Käse vorbereitet werden konnten.
»Bitte verzeiht mir«, sagte Mondino. »Es war dumm und kleinlich von mir, so mit Euch zu sprechen.« Er hob den Blick und sah seinem Onkel in die Augen. »Nun muss ich das Bankett verlassen, und ich bitte Euch mir zu helfen, dass ich dies möglichst mit Anstand tun kann.«
»Das Bankett verlassen?«, fragte Liuzzo nach, den dieser Verstoß gegen die guten Sitten erschreckte. »Aber das kannst du nicht tun! Du würdest unseren Gastgeber beleidigen, der sich monatelang bemüht hat, alles so vorzubereiten, wie es sich gehört.«
Mondino gab ihm ein Zeichen, dass er leiser sprechen sollte. Er schwieg solange, bis zwei Gäste auf ihrem Weg in den Garten an ihnen vorübergegangen waren, dann sagte er: »Ich möchte zum Capitano del Popolo gehen und ihn um die Erlaubnis bitten, mir diese Leiche ansehen zu dürfen. Und ich muss gleich zu ihm, bevor sie den Toten wegbringen. Ich habe nicht die Absicht, dem Papst zu gestatten, sich bei uns als Herr im Haus aufzuspielen.«
Liuzzo blieb stehen und sah ihn an. Sein Schweigen war beredter als viele Worte. Mondino fügte nichts mehr hinzu, und schließlich stieß sein Onkel mit zusammengepressten Zähnen
hervor: »Ich werde sagen, man hätte dich an das Bett eines Kranken gerufen, und dich bei unserem Gastgeber entschuldigen. Aber wisse, dass ich das nur für das Wohl unserer Familie tue und keineswegs für dich. Jetzt geh, wenn du das wirklich tun musst. Und wenn wir uns wiedersehen, möchte ich mit dir noch
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