Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
und entschied allein über die Vorgehensweise. Mit seiner rauen Stimme, den kalten grauen Augen und der mächtigen Statur verfügte er über eine so natürliche Autorität, dass man sich nicht mit ihm anlegen wollte.
Mondino zwang sich, ihm dennoch zu widersprechen.
»Ich stimme Euch nicht zu, Messere. Wie ich bereits gesagt habe, bin ich Euch gegenüber nicht zu Gehorsam verpflichtet und werde nach meinem eigenen Plan handeln, während Ihr und Gerardo die Treffen und Wege Eurer beiden toten Mitbrüder nachverfolgen solltet.«
Hugues wurde rot, als ob der andere ihn geohrfeigt hätte. Er war es nicht gewohnt, dass man seine Entscheidungen in Frage stellte. Schweigend starrte er Mondino an und umklammerte den leeren Becher weiter mit seiner großen, mit dichtem blondem Flaum behaarten Hand. Der Arzt hielt seinem Blick
stand, und schließlich stieß der Franzose durch die zusammengepressten Zähne hervor: »Und was habt Ihr für einen Plan?«
»Das Geheimnis, wie man menschliches Blut in Eisen verwandeln kann, ist in meinen Augen nur wenigen bekannt. Ich selbst habe noch nie davon gehört, und dabei habe ich für meine medizinische Ausbildung auch Alchimie studiert. Ich befrage die Alchimisten hier in der Stadt, ob sie jemanden wissen, der ein derartiges Geheimnis kennen könnte. Findet man denjenigen, hat man höchstwahrscheinlich auch gleich den Mörder gefunden.«
Hugues schenkte ihm ein verächtliches Lächeln. »Die Alchimisten zu befragen ist wohl das Erste, was der Inquisition in den Sinn gekommen ist. Ihren Schritten zu folgen ist ein Fehler. Dies ist ein Wettlauf, bei dem wir es uns nicht erlauben können, als Zweite im Ziel anzukommen.«
Obwohl dem Franzosen weiterhin seine Bewunderung galt, kam Gerardo Mondino zu Hilfe. »Verzeiht, Kommandant, aber gewiss haben die Alchimisten den Mönchen der Inquisition nur so wenig wie möglich gesagt. Jemandem gegenüber, der nicht der Kirche angehört und darüber hinaus die Materie mindestens ebenso gut, wenn nicht besser kennt als sie, werden sie bestimmt zugänglicher sein.«
Hugues überlegte kurz, ehe er sprach, dann senkte er zustimmend seinen großen, lockigen Schopf. »Gut, dann teilen wir uns die Arbeit. Wir werden mit dem gemeinen Volk sprechen, Ihr mit den Alchimisten. Und wir werden uns gegenseitig auf dem Laufenden halten.«
So wie er das sagte, wirkte es noch einmal, als hätte er über Mondinos Aufgabe entschieden. Doch der Arzt beschloss, dass er nicht zu sehr auf seiner Unabhängigkeit beharren sollte. Im Grunde hatte er Recht, den Mörder der Tempelritter zu finden lag im Interesse von ihnen dreien, und da Hugues nun einmal
mit von der Partie war, schien es das Klügste zu sein, mit ihm zusammenzuarbeiten.
»Ja, gut. Nun sollten wir gehen. Ich möchte nicht, dass diesem armen Bankier noch die Galle überläuft«, beschied der Arzt.
Sie erhoben sich alle drei gemeinsam. Hugues de Narbonne ließ die Münzen auf dem Tisch liegen, die er dem Bankier zuvor so brüsk hingeworfen hatte, und sie verließen das Arbeitszimmer. Remigio war nicht geblieben, um sie zu verabschieden, und daher gingen sie, ohne dass sie jemand zur Tür begleitete.
Sobald sie auf der Straße standen, sagte Mondino: »Jetzt muss ich Euch verlassen. Ich erwarte dann Nachrichten über Gerardo.«
Mit diesem Satz hatte er klargestellt, dass er Hugues de Narbonne nur wiedersehen wollte, wenn es unbedingt notwendig war. Er drehte ihnen den Rücken zu und entfernte sich unter den Arkaden.
SECHS
R emigio Sensi entfernte sein Gesicht von den beiden kleinen Löchern im Gemälde des heiligen Matthäus, durch die er alles, was in seinem Arbeitszimmer vorging, hören und sehen konnte, und wischte sich mit dem Ärmel seines Gewandes den Schweiß von der Stirn.
Meist benutzte er dieses Versteck, um das Verhalten jener Kunden auszuspionieren, denen er nicht sonderlich vertraute. Er fand dann einen Vorwand, um sie allein zu lassen, und zog sich in die kleine Kammer zurück, die sich in der Mauer hinter dem Bild befand. Wenn die Kunden nun in seinen Unterlagen wühlten, sich übermäßig froh oder eingeschüchtert zeigten, sich der Geldtruhe näherten oder sogar - wie schon einige Male geschehen, wenn sie zu zweit waren - leise über ihre betrügerischen Absichten sprachen, fand Remigio bei seiner Rückkehr einen freundlichen, aber unabänderlichen Vorwand, um das Geschäft nicht abzuschließen, ohne die Ehrbarkeit von jemandem in Zweifel zu ziehen.
Doch diesmal handelte es sich nicht um
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