Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
und das Loch in der Brust bei beiden Leichen beweisen, wie konnte dann die Flüssigkeit in den Körper gelangen? Sobald die Lebensprozesse aufhören, funktioniert das ganze Kreislaufsystem, das auch das Herz in Gang hält, nicht mehr.«
»Und wie lautet die Antwort auf diese Fragen?«, fragte Gerardo.
Mondino sah das erwartungsvolle Leuchten in seinen Augen und es tat ihm leid, dass er ihn enttäuschen musste. »Ich habe keine Antworten«, gestand er verärgert. »Nur Fragen.«
»Ihr habt über beide Leichen gesprochen«, sagte Hugues de Narbonne und starrte ihn mit seinen grauen Augen an. »Warum habt Ihr mir nicht vorher gesagt, dass Ihr auch den anderen Toten gesehen habt?«
Mondino bemerkte, dass er bereits zu viel gesagt hatte, weil er sich von seinem wissenschaftlichen Interesse an dem Fall
hatte abgelenken lassen. Doch die unterschwellige Drohung in Hugues’ Stimme bewog ihn, dem mit einem Angriff zu begegnen.
»Messere, ich kenne Euch nicht, und ich schulde Euch keine Erklärungen«, sagte er. »Gerardo ist Euch vielleicht zum Gehorsam verpflichtet, ich nicht.«
Der Franzose ließ nun jeden Anschein von Liebenswürdigkeit fallen. Er sprang unglaublich schnell auf und packte ihn am Kragen, hob ihn vom Stuhl und drückte ihn gegen die Wand.
»Messere, vielleicht bedeutet es für Euch nur eine intellektuelle Herausforderung, diese Mordfälle zu lösen«, sagte er mit zusammengepressten Kiefern. »Für mich ist das jedoch anders.«
Mondino packte seine Handgelenke, um sich zu befreien, aber erst als Gerardo eingriff, entspannte sich die Lage wieder.
»Kommandant, ich bitte Euch«, sagte er entschieden. »Lasst ihn los, oder ich muss ihn verteidigen.«
Hugues de Narbonne drehte den Kopf zu ihm hinüber und starrte ihn an, höchst erstaunt über diesen Ungehorsam. Dann änderte er seine Taktik. »Also gut«, sagte er mit leiser, rauer Stimme und lockerte seinen Griff. »Entschuldigt meine Heftigkeit, Messer Mondino. Es ist nur so: Sollte dem König von Frankreich sein Vorhaben gelingen, meinen Orden aufzulösen, wird die Mehrzahl der Templer zu einfachen purgationes oder höchstens einigen Jahren Kerkerhaft verurteilt werden. Doch diejenigen, die höhere Ämter bekleiden, und zu denen gehöre auch ich, werden auf dem Scheiterhaufen enden. Selbst wenn ihnen die Flucht gelingt, müssen sie den Rest ihres Lebens unauffällig im Verborgenen und in Armut fristen. Sicher werdet Ihr verstehen, dass ich alles daransetzen werde, damit dies nicht geschieht.«
»Ich habe nur eines verstanden«, antwortete Mondino erhitzt
und ziemlich laut, »und zwar, dass ich Euch nicht mag und dass ich Gerardos Entschluss nicht teile, Euch alles zu enthüllen, was er über diese Morde weiß.«
»Bitte, beruhigt Euch«, sagte Gerardo wieder, stellte sich zwischen sie und breitete die Arme aus. Dann wandte er sich an Hugues de Narbonne. »Es ist meine Schuld, dass der Magister in diese Sache hineingezogen wurde. Ich bitte Euch, nicht mehr zu fragen, als wir Euch sagen dürfen, Kommandant, aber Ihr könnt gewiss sein, dass wir Euch nichts Wichtiges verschweigen.«
Hugues de Narbonne nickte und trat einen Schritt zurück, als ob nichts gewesen wäre. Mondino spürte sein Herz heftig schlagen, versuchte jedoch, eine möglichst gleichmütige Miene aufzusetzen. Er entschuldigte sich und sagte, dass er sie nun verlassen müsse; es sei Zeit, zum Mittagessen zu seiner Familie zu gehen. Schließlich hatte ihm der Franzose mit seinem aufbrausenden Verhalten den besten Vorwand geliefert, um sich dieser Unterredung zu entziehen.
Gerardo sah ihn empört an. »Ich habe gerade gesagt, dass wir dem Kommandanten nichts Wichtiges verschweigen werden«, sagte er. »Zeigt bitte auch ihm die Karte, von der Ihr vorhin gesprochen habt, Meister.«
Mondino warf ihm einen wütenden Blick zu, aber nun war es zu spät. Gerardo hatte offensichtlich vor, sein ganzes Wissen mit diesem Hugues de Narbonne zu teilen, und wenn er jetzt die Karte hervorholte, würde das die bestehenden Probleme auch nicht schlimmer machen. Vielleicht konnte der Franzose sogar etwas Nützliches dazu beitragen.
Mit einem resignierten Seufzer griff er mit einer Hand unter sein Obergewand. »Ich habe in einer Geheimtasche in den Beinlingen Wilhelms von Trier diese Karte gefunden«, erläuterte er und zog die kleine Pergamentrolle hervor. »Ich habe weder begriffen, was sie darstellen soll, noch, ob sie überhaupt
mit seinem Tod in Verbindung steht, obwohl ich geneigt bin, das zu
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