Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
nutzen konnte. Die frühere Methode, einen Hodenbruch zu operieren, die sein Lehrer Taddeo Alderotti praktizierte, sah eine Kauterisierung des Skrotums vor, wonach das verbrannte Fleisch in Schichten abgetragen wurde. Dabei war eine Kastration des Patienten unvermeidlich. Mondino begriff sehr genau, warum es einem verdorbenen Mönch wie dem Vetter des Baumeisters so wichtig war, dass er nach seiner Methode operiert wurde, welche fast immer die Zeugungsfähigkeit erhielt.
»Ich bin ebenfalls froh, dass er mich bevorzugt«, sagte er, doch er brachte kein Lächeln hervor. »Das macht alles viel einfacher. Obwohl ich, um der Wahrheit die Ehre zu geben, sagen muss, dass beide Ärzte, die Ihr genannt habt, ebenfalls in der Lage sind, diese Operation durchzuführen.«
»Das bezweifele ich nicht. Dennoch, wenn man die Wahl hat, ist der Lehrer trotz allem immer besser als die Schüler, meint Ihr nicht auch?«
Die Freude des Mönches für seinen Vetter war rührend, und Mondino hatte ein paar Gewissensbisse, weil er ihn benutzte.
»Selbstverständlich, Vater«, sagte er und mied den Blick des Baumeisters. »Wenn es Euch recht ist, werde ich morgen Nachmittag ins Kloster kommen, um einen Blick auf den Patienten zu werfen.«
»Das passt ausgezeichnet. Wir werden Euch erwarten. Und nochmals vielen Dank.«
Der Mönch wandte sich ab und kehrte an seine Arbeit zurück. Auf dem lauten, mit Steinen, Karren, Steinmetzen und Maurern angefüllten Platz erhob sich die im Bau befindliche Kirche San Giacomo. Ohne Dach sah sie noch aus wie eine Ruine aus fernen Zeiten.
SIEBEN
W ährend er mit gesenktem Kopf zwischen zwei Häuserreihen eine kleine Straße entlanglief, hielt sich Gerardo mit einer Hand Mund und Nase zu, um den Gestank nicht einatmen zu müssen. Er hoffte nur, dass nicht irgendeine Hausfrau an einem Fenster über ihm genau in diesem Moment den Inhalt ihrer Nachttöpfe nach draußen kippte. Vorsichtig schaute er kurz nach oben, und als er sah, dass alle Läden geschlossen waren, schritt er schnell vorwärts. Er hätte zwar die Hauptstraße benutzen können, um zu dem Gasthaus zu gelangen, in dem der Deutsche getötet worden war, aber diese mied er aus zweierlei Gründen: Erstens fürchtete er, erkannt zu werden. Vor drei Tagen hatte Hugues de Narbonne ihm befohlen, alles herauszufinden, was Wilhelm von Trier von seiner Ankunft in der Stadt an bis zu seinem Tod getan hatte. Dass der Besitzer des Hauses, das Gerardo angezündet hatte, genau in dieser Gegend wohnte, hatte ihn nicht weiter gekümmert; er hatte darauf beharrt, dass Gerardo tat, wie geheißen, und Gerardo hatte nicht gewagt, etwas einzuwenden. Obwohl er immer noch bestürzt war über die Enthüllungen des Franzosen, so war er doch ein Tempelritter, und ihre Ordensregeln schrieben unbedingten Gehorsam gegenüber Ranghöheren vor.
Der zweite Grund, warum er nicht die Hauptstraße benutzte, war, dass die Gegend um Santo Stefano an das Viertel Trebbo dei Banchi angrenzte, was bedeutete, dass er mehrmals am Tag an Remigios Haus vorbeimusste. Und er wollte nicht, dass der Bankier ihn fragte, warum er so oft hier vorbeikam.
Vor allem aber wollte er Fiamma nicht begegnen, die stets an dem langen Tisch hinter ihrem Adoptivvater saß und Dokumente ausfertigte.
Remigio war sehr diskret gewesen; er hatte ihn nur mit einem Kopfnicken gegrüßt und ihn nicht angesprochen. Fiamma hingegen schien seine Gegenwart im Voraus zu ahnen, und jedes Mal, wenn der junge Mann an ihrem Geschäft vorbeikam, schaute sie von den Papieren auf und sah ihn unergründlich an.
Trotz seiner Vorsätze hatte Gerardo die Augen nicht abwenden können und fühlte, wie sein Herz schneller schlug. In diesen Tagen hatte er ständig an das denken müssen, was ihm Hugues de Narbonne gesagt hatte: dass ihm erlaubt sein würde, Geheimnisse zu erfahren, die nur einer kleinen Minderheit der Tempelritter bekannt waren. Geheimnisse, die sein Leben auf unerwartete Weise verändern würden und dies vielleicht sogar bereits taten.
Gerardo ging nicht aus dem Kopf, was Hugues und diese Frau im Schlafzimmer getan hatten. Vor einigen Jahren, als er noch in der kleinen Burg seiner Eltern wohnte, hatte ihn eine Magd namens Assunta, eine verheiratete Frau mit zwei Kindern, in die Freuden der körperlichen Liebe eingeführt. Sie hatten sich oft in den Mittagsstunden des Sommers im dämmrigen Pferdestall getroffen oder unter freiem Himmel im Weinberg. Diese Erinnerungen waren das schlimmste Hindernis gewesen, das er
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