Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
Blutes schoss aus ihrem Hals.
Gerardo rief etwas, das er nicht verstand, aber er sah, wie der andere die Tür öffnete, und folgte ihm, während er sich mit dem Ärmel das Blut aus dem Gesicht wischte. Zum Glück war es draußen stockdunkel. Mondino folgte dem Tempelritter, der den Jungen trug, durch die menschenleeren Straßen. Sie kamen an der Kirche Sant’Antonino vorbei und an dem Haus,
in dem Gerardo den Brand gelegt hatte, aber sie blieben nicht stehen, um sich die rauchgeschwärzten Balken im obersten Stockwerk und das Holzgerüst anzusehen, wo sicher schon in der nächsten Woche gearbeitet werden würde. Mondino war an diesen Anblick gewohnt, da er jeden Tag auf seinem Weg von der Medizinschule nach Hause hier vorbeikam. Sie gingen weiter bis zu den Häusern der Galluzzi und dann bis zum Kloster San Procolo, wo sie Masino hinbringen wollten. Die Mönche kümmerten sich vor allem darum, Waisenkindern ein neues Zuhause zu geben. An der Tür gab Gerardo dem Jungen ein wenig Geld und redete lange leise mit ihm. Dann klopften sie, ließen Masino dort und entfernten sich durch die Dunkelheit in verschiedene Richtungen.
Er kehrte mit zerrissenem Gewand und blutbeschmiert nach Hause zurück. Den ganzen Weg überlegte er angestrengt, was er seiner Familie erzählen würde, um sein Aussehen zu rechtfertigen, als könnte er dadurch verhindern, darüber nachzudenken, dass er gerade einen Menschen getötet hatte. In diesem Moment begriff Mondino, warum Mörder die Nacht liebten.
Sie bot Schutz, und man konnte sich darin verstecken, sogar vor sich selbst.
ACHT
W ährend Mondino zum Kloster der Dominikaner lief, konnte er noch so oft wiederholen, dass er nichts zu befürchten hatte: Es stimmte einfach nicht. Ihm war stets bewusst, was er in jener Nacht vor acht Tagen getan hatte; in jener Nacht, die ihm mittlerweile so entfernt schien wie ein anderes Leben, als er beschloss, Gerardo zu helfen. Und nun hatte diese Sorge aufgrund der dringlichen Vorladung des Inquisitors beinahe unerträgliche Ausmaße angenommen.
Im Gehen spürte er unter seinem Gewand den störenden Verband an der Seite. Zu Hause hatte er lügen müssen und erzählt, er sei wie durch ein Wunder dem Angriff eines Strauchdiebs entkommen, der sich damit begnügt hätte, ihm seine Börse zu entreißen, bevor er im Dunkel der Nacht verschwunden sei. Selbstverständlich hatte er sich vor dem Heimkommen vorsorglich seinen Gürtel abgeschnitten und die Börse in einen Kanal geworfen.
Alle hatten diese Erklärung ohne weitere Fragen akzeptiert, doch er war überhaupt nicht stolz darauf, dass er so überzeugend lügen konnte.
Es war der letzte Tag im April, und obwohl es schon später Nachmittag war, wirkte die Luft immer noch mild. Die Leute waren alle deutlich leichter gekleidet als noch vor einer Woche, und so allmählich bekam man das Gefühl, dass der Sommer vor der Tür stand. Auch er hätte gerne auf den mit Eichhörnchenfell verbrämten Umhang über dem roten Talar verzichtet, durch den er ins Schwitzen kam, wenn er schneller
ausschritt, aber er hatte ihn ganz bewusst für das bevorstehende Gespräch angelegt. Wenn er vor den Inquisitor trat, wollte er sich von den Insignien seines Berufs beschützt wissen.
Mondino zwang sich, eine ruhigere Gangart einzuschlagen. Er beneidete Gerardo, der zu dieser Stunde selig schlief, um für seine nächtliche Unternehmung mit Hugues de Narbonne gerüstet zu sein. Mondino gefiel es nicht, dass der Franzose sich an ihrer Suche beteiligte, doch er konnte nichts dagegen tun. Außerdem war er ganz froh, dass sich ein anderer mit Gerardo auf ein so gefahrvolles Abenteuer begab.
Heute Nacht hatte er kaum geschlafen, gequält von Alpträumen, in denen er immer wieder auf die unterschiedlichste Art das Gefühl durchlebte, das ihn überwältigt hatte, als er Filomena das Messer in die Kehle rammte. Und als er schließlich aufgestanden war, hatte ihm Lorenza berichtet, dass ein Dominikanermönch gekommen war, um ihn gegen die zehnte Stunde zu einer dringlichen Unterredung mit dem Inquisitor einzubestellen.
Um diese Zeit waren weniger Leute auf den Straßen. Nach der Arbeit wirkten alle entspannter. Nur einige heimarbeitende Wollkämmer, die im Innenhof eines Hauses Matratzen auseinandergenommen hatten, waren immer noch eifrig damit beschäftigt, die Fasern zu trennen.
Sonst liebte Mondino den Anblick, den das Alltagsleben in seiner Stadt ihm bot, aber in diesem Moment bemerkte er es kaum. Er hatte sich schon einen
Weitere Kostenlose Bücher