Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
darauf vor, den Schlag zu empfangen.
»Ich verfüge nicht über Euer Wissen, Magister«, sagte Uberto honigsüß. »Und ich weiß nicht viel über das metallische Prinzip und das Brennbare in der Materie. Aber ich
weiß sehr gut, dass dieser Geber, von dem Ihr sprecht, ein Ungläubiger ist, ein Sarazene, ein Teil dieser Rasse, die wir in unseren Kreuzzügen bekämpft haben und gegen die wir immer noch an unseren Küsten Krieg führen. Wollt Ihr mir etwa sagen, dass Ihr Euch, um die Behauptung zu untermauern, bei dem fraglichen Mord habe kein Pakt mit dem Teufel stattgefunden, auf die Worte eines Gottlosen beruft?«
»Die Religion der Araber ist zweifelsohne ein Irrglaube«, beeilte sich Mondino zu versichern. »Sie verfügen jedoch über profundes Wissen. Der Kanon der Medizin von Avicenna ist, wie Ihr wisst, einer der Texte über Medizin, der in der Christenheit am meisten genutzt wird, und auch wir im Studium schätzen …«
»Das Studium !«, sagte Uberto und schaffte es, dieses Wort klingen zu lassen, als handele es sich um Abschaum. »Dieser Haufen von sittenlosem Volk, das über die Stadt hereinbricht, ehrbaren Frauen nachstellt und mit Dirnen Unzucht treibt. Dieses Pack, das seine Zeit in den Tavernen bei Wein und Würfelspiel und anderen Schändlichkeiten verbringt, die ich gar nicht aussprechen möchte. Menschen, die, wie Maurizio da San Vittore gesagt hat, ›das Wissen nicht um seiner selbst willen suchen, sondern um es aus Eitelkeit oder für Geld zu Markte zu tragen‹. Sollte ich mich da etwa wundern, wenn die Texte, die die Grundlage ihrer Studien bilden, aus dem Land der Ungläubigen kommen?«
Eine direktere Beleidigung hätte Mondino nicht erwarten können. Ganz offensichtlich beabsichtigte Uberto, ihn zu treffen, wenn er verächtlich über seine Studenten sprach - denn dass die Lehrmeister dieses »sittenlosen Volks« nicht besser als ihre Schüler seien, schwang zweifelsfrei in seiner Rede mit. Ihr Gespräch nahm eine gefährliche Wendung. Mondino wusste, dass er diese boshafte Bemerkung besser ignoriert und dem Priester beigepflichtet hätte. Aber er konnte nicht schweigen -
weniger weil er selbst beleidigt worden war, sondern weil man die Wissenschaft verunglimpft hatte.
»Und doch haben sich hervorragende christliche Wissenschaftler mit Alchimie beschäftigt«, beharrte er. »Albertus Magnus selbst, der doctor universalis , der im Übrigen ein Dominikaner war wie Ihr, hat an der Universität vor den Studenten von Paris gelehrt …«
»Genug!«, schrie Uberto, schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und sprang auf. »Ich lasse nicht zu, dass Ihr einen hervorragenden Christen, einen Bischof der Kirche, mit dem Pack vergleicht, von dem ich zuvor gesprochen habe. Albertus wurde doctor universalis oder auch doctor expertus genannt, eben weil er sich zu geistigen Höhen aufschwang, die für dieses Gesindel unerreichbar sind. Und ich erinnere Euch daran, dass er zwar in Paris lehrte, doch er unterrichtete dort ein ehrbares Fach - die Theologie! Er erkannte das Bedürfnis so vieler junger Leute, die ihr Seelenheil gefährdeten, eben weil sie weltlichen Vergnügungen und profanen Wissenschaften nachgingen, und ist zu ihnen gegangen. Und die jungen Leute schätzten ihn. Um seine Vorlesungen besuchen zu können, verließen sie die Hörsäle der Rechtswissenschaft und der Medizin. Sie versammelten sich so zahlreich, dass Albertus auf öffentlichen Plätzen sprechen musste, denn es gab keine Säle, die groß genug waren, um alle seine Schüler aufzunehmen.«
Auch Mondino hatte sich erhoben, weil es die Höflichkeit gebot, aber auch, weil der andere ihn nicht überragen sollte. Jetzt stand der Inquisitor vor ihm. So schmächtig der gut einen Kopf kleinere Uberto war, so gelang es ihm doch, Mondino Angst einzujagen.
Ein Schweigen legte sich über sie, das niemand von ihnen brechen wollte. Das Licht, das zum Fenster hereinfiel, wurde immer schwächer; bald würde die Sonne untergehen. Eigentlich hätte man im Raum eine Lampe entzünden müssen,
aber Uberto schien es nicht zu bekümmern. Sichtlich befriedigt darüber, dass er seinen Gegner endlich zum Verstummen gebracht hatte, gestattete er sich ein Lächeln, in dem noch ein Anflug von Wut mitschwang.
»Die Alchimie«, sagte er, nun wieder gelassen, »wird bald von der christlichen Wissenschaft verworfen werden. Sie wird der Hexerei gleichgestellt und verfolgt werden, wie es sein soll. Wenn diese Zeit anbricht, werden Wissenschaftler, Ärzte und
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