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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Lippen setzte, sie dann jedoch wieder verschloss und an seine Brust drückte, während er sich auf das Bett sinken ließ. Das war so schrecklich für sie, dass es ihr ins Herz schnitt. Er hielt die Flasche wie einen Schatz im Arm, aber sie hatte er nicht umarmt.

18

    Der eifrigste Pillenschlucker, von dem man weiß, scheint ein gewisser Jessup gewesen zu sein, der 1814 starb. Es heißt, er habe 226 934 Pillen geschluckt und 40 000 Fläschchen mit Arzneitropfen eingenommen,
die er sämtlich bei einem Apotheker in Bottesford bezog.
    C. J. S. Thompson, Mystery and Art of the Apothecary
    Lilly warf sich stundenlang von einer Seite auf die andere, sie konnte nicht schlafen. Wenigstens ihr Zimmer war einigermaßen sauber, wenn sie auch bezweifelte, dass während ihrer Abwesenheit irgendjemand auch nur einmal Staub gewischt oder ihr Bett gelüftet hatte. Trotzdem war es unbequem. Wahrscheinlich war sie verwöhnt von dem hohen, komfortablen Bett mit der weichen Daunendecke, in dem sie in London geschlafen hatte. Aber vielleicht konnte auch nur ihr Geist nicht zur Ruhe kommen. Was sollte sie wegen Charlie unternehmen? Und was wegen ihres Vaters? Was sollte aus dem Laden werden, der einzigen Einkommensquelle ihres Vaters? Wenn sie das Haus in den nächsten vierzehn Tagen putzte und die nötigsten Reparaturen durchführen ließ, würde es, sobald sie nach London zurückgekehrt war, doch nur wieder in seinen alten Zustand verfallen. Selbst wenn Charlie ihr half und es ihr irgendwie gelang, Francis zur Rückkehr zu bewegen: Wie sollte sie neben dem neuen Wundarzt-Apotheker und seiner modernen, wohlsortierten Apotheke bestehen?
    Sie seufzte schwer. Die Angst drohte sie zu überwältigen. Es war einfach alles zu viel, zu viel Ungewissheit und zu viel zu tun in zu wenig Zeit. Zuallererst musste das Haus vom Keller bis zum Dachboden geputzt werden. In welchem Zustand der Garten war, wollte sie lieber gar nicht wissen. Es mussten Bestellungen aufgegeben werden, aber war überhaupt Geld da, um die Lieferanten zu bezahlen? Oder hatte ihr Vater alles vertrunken? Das Ganze war mehr, als ein Mensch allein bewältigen konnte, auf jeden Fall war es zu viel für sie. Bleischwer senkte die Zukunft sich auf sie herab und um ihr wenigstens vorübergehend zu entfliehen, schlief sie schließlich ein.
    Am nächsten Morgen stand sie früh auf, schlüpfte in ihr einfachstes Kleid, steckte ihr Haar zu einem schlichten Knoten zusammen und ging hinunter. Immer einen Schritt nach dem anderen. Das Wichtigste war jetzt eine große Kanne heißen Kaffee und heißes Wasser für ein Bad und eine Rasur für ihren Vater.
    Leise huschte sie im morgendlichen Dämmerlicht durch den Laden. Wieder drohte die vor ihr liegende Aufgabe sie zu erdrücken. Es war hoffnungslos .
    Zögernd öffnete sie die Tür zum Behandlungszimmer. Ihr Vater lag mit ausgestreckten Armen und Beinen auf der Liege, so wie sie ihn am Abend verlassen hatte. Die Flasche, die er im Arm gehalten hatte, lag jetzt leer neben ihm.
    Sie trat näher heran. In dem Licht, dass allmählich durchs Fenster fiel, sah sie, dass die Flasche kein Etikett trug. Welches Gift hat er gewählt? , fragte sie sich. Sie beugte sich über ihn, löste sanft die Flasche aus seinem Griff, führte sie an die Nase und roch daran. Sie hatte wenig Erfahrung mit Alkohol, doch der beißende, bittere Geruch, der ihr entgegenschlug, überraschte sie.
    Sie hörte ein Geräusch, ein Klopfen an der Tür, und erschrak. Sie war jetzt nicht in der Verfassung, einen Kunden zu bedienen, aber vor allem erschreckte sie der Gedanke an die peinlichen Erklärungen, die nötig werden würden. Es klopfte erneut.
    »Vater? Vater, wach auf!«
    »Hmmm?«
    »Vater, Zeit aufzustehen. Da ist jemand an der Tür.«
    Er antwortete nicht.
    Seufzend ging sie in den Laden zurück und überlegte, was sie sagen konnte, um den Kunden abzuwimmeln. Doch dann sah sie durch das Ladenfenster, dass Mrs Mimpurse vor der Tür stand. Warum war sie nicht wie immer durch die Gartentür gekommen? Als Lilly durch den Ladenraum zur Tür ging, bemerkte sie überrascht, dass Mrs Mimpurse in Begleitung von drei, nein von vier weiteren Personen gekommen war. Versuchte Maude ihr zu helfen, indem sie ihr Kunden brachte? Sah sie denn nicht, dass weder der Laden noch ihr Vater in der Verfassung waren, Kunden zu empfangen?
    Sie öffnete die Tür. Bevor sie etwas sagen konnte, drängte Mrs Mimpurse herein, gefolgt von ihrem Küchenmädchen Jane. Beide waren mit Eimern und

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