Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
zusammen und sagte scharf: »Ich habe mehr als genug von Euch gehört, Falke. Der gefürchtete namenlose Schatten, den die Fürsten ausschickten, wenn es galt, gewisse Machenschaften aufzudecken und Leute zu beseitigen, ohne Spuren zu hinterlassen.«
»Bis dem Falken die Flügel gestutzt wurden«, bemerkte Lothar trocken.
»Pah!«, schnaubte Ragnold. Mit schmalen Augen starrte er Lothar ins Gesicht. »Man sagt, dass Ihr für Eure Dienste reichlich belohnt wurdet. Da mutet es doch seltsam an, dass Ihr nun gegen die handeln wollt, die Euch so gut gefüttert haben. Mir dünkt, Ihr habt den Dienstherrn sehr rasch gewechselt, nachdem der König Euch geächtet hat.«
»Die Fürsten …«, sagte Lothar mit halb geschlossenen Augen. Als hätte er einen schlechten Geschmack im Mund, spie er aus. »So viel auf die Fürsten.« Er hob die Lider, und die Kälte in seinen Augen jagte einen Schauer über Garsendes Rücken. »Wenn Ihr all diese Gerüchte über mich gehört habt, dann solltet Ihr doch wissen, dass die Fürsten mich rascher fallen ließen, als der König
sein Urteil über mich aussprechen konnte. Ich konnte von Glück reden, dass ich noch ein Hemd am Leib trug, als es mir gelang, nach Frankreich zu entkommen. Welch süßere Rache könnt Ihr Euch vorstellen, als dass ich nun meine Fähigkeiten den Feinden meiner Feinde zur Verfügung stelle?«
›Darum also ist er hier. Er will Rache an den Fürsten nehmen, die ihn schnöde behandelt haben‹, dachte Garsende. Aber wie? Was hatten die Männer vor?
Lothars Worte schienen ihren Eindruck nicht verfehlt zu haben. »Gut gesagt, Falke. Meinethalben bleibt also, wenn’s Euch beliebt«, brummte Ragnold. Dann stand er auf und schickte sich an, die Kapelle zu verlassen. An der Pforte warf er einen Blick über die Schulter zurück und fügte drohend hinzu: »Doch kommt mir nicht in die Quere.«
Mit nachdenklich geneigtem Kopf sah Lothar ihm hinterher. Als er sich dem jungen Welschen schließlich wieder zuwandte, nistete das vertraute spöttische Lächeln in seinen Mundwinkeln. »Recht unbeherrscht für einen Mann, der das Sagen haben will«, bemerkte er.
Das Lächeln erwidernd, zuckte Thierry mit den Schultern. »Ihr müsst seine Zweifel an Euch verzeihen«, meinte Thierry, nachdem die Pforte hinter Ragnold zugefallen war. »In Wahrheit betrifft sein Unmut nicht Euch. Er ist beunruhigt, weil einige der dringend benötigten Lieferungen noch immer ausstehen. Hinzu kommt, dass man ihm in Speyer offenbar die Hölle heiß gemacht hat, weil er la femme du comte auf eigene Faust entführt hat und damit unliebsame Aufmerksamkeit erregte. Ich hörte, Le Grand Seigneur sei ausgesprochen wütend darüber gewesen.«
»Man kann’s dem Mann wohl kaum verdenken. Was musste Ragnold sich denn auch ein schwangeres Weib aufhalsen,
noch dazu ausgerechnet die Gattin des Burggrafen von Worms?«
Rasch drehte sich Garsende um und tauschte einen beredten Blick mit Matthäa, die ebenso wie sie dem Gespräch zu lauschen schien.
»Seit wir hörten, dass sich die Übergabe des Kleinods in Sachsen verzögert hat, ist Ragnold unruhig«, antwortete Thierry. »In der Botschaft, die unser Mann dort nach Worms sandte, nachdem unser Plan fehlgeschlagen war, hieß es, dass der Burggraf begonnen hat, unliebsame Fragen zu stellen. Unser Mann war besorgt, der Burggraf würde unserem Vorhaben zu nahe kommen, wenn man ihn nicht stoppt, und schlug vor, sich des Mannes zu entledigen.«
Lothar zuckte mit den Schultern. »Eine einfache Lösung«, meinte er. »Warum war Ragnold dagegen?«
In ihrem Rücken hörte Garsende einen Laut, der im Keim erstickt wurde, und als sie einen raschen Blick über ihre Schulter warf, sah sie Matthäa entsetzt zu den Männern hinüberstarren. Unmerklich schüttelte Garsende den Kopf.
»Allesamt sollen sie in der Hölle verrotten«, stieß Matthäa zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während sie den Eintopf im Kessel mit dem Holzlöffel traktierte.
Als Garsende sich den Männern wieder zuwandte, hörte sie den jungen Welschen ausführen: »… der König würde den Tod seines Mannes nicht ungesühnt hinnehmen. Wie angespannt die Lage in Sachsen ist, brauche ich Euch nicht zu sagen. Ragnold befürchtete, dass unsere Verbündeten dort die Geduld verlieren und losschlagen könnten, noch ehe wir hier bereit sind, falls der König womöglich seine Leute in den Harudengau schicken würde, um Vergeltung für den Tod seines Burggrafen zu üben.«
»Also plante Ragnold, die
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