Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
die Männer vom Leib halten? Nicht ihr Stand, doch das Kind, das Matthäa trug, gewährte der Burggräfin noch einen gewissen, wenn auch unsicheren
Schutz vor einem solchen Übergriff, aber nichts würde die Männer daran hindern, über Garsende herzufallen, wenn sie noch lange mit den Frauen zusammengepfercht wären.
Das Wiehern eines Pferdes und gedämpfte Rufe von draußen lenkten Garsende ab. Wer mochte das sein?
Die Söldner griffen nach ihren Waffen, während der Welsche, das Schwert bereits gezückt, die Pforte einen Spalt öffnete, um nach draußen zu spähen. Einen Augenblick später riss er sie weit auf.
» Hier je vous … «, begann er, wurde aber vom offenkundig verärgerten Hunfrit unterbrochen:
»Ihr wolltet gestern schon hier sein. Was, zum Teufel, hat Euch aufgehalten?«
»Was hat dich das zu kümmern?«, kam es von draußen zurück.
»Ragnold«, flüsterte Matthäa. Garsende nickte, und die beiden Frauen tauschten einen beredten Blick.
Jost drängte sich an Guillaume vorbei und lief hinaus. »Gibt es Neuigkeiten aus Sachsen? Wurde dieses verdammte Ding, das der Grand Seigneur haben will, denn nun endlich gefunden?« hörten sie ihn fragen.
»Offenbar noch nicht«, antwortete jemand, und Garsende zuckte zusammen. Das war Lothars Stimme. Gleich darauf kam er mit seinem geschmeidigen Schritt in die Kapelle geschlendert, Ragnold von Langenthal und einen jungen Mann mit frischen Zügen und blondem, modisch gestutztem Haar im Schlepptau.
»Der blonde junge Mann ist Thierry de Savosaint«, raunte Matthäa. »Den großen Dunklen kenne ich nicht.«
Während Ragnold sich umdrehte und nach draußen rief, dass man sich um die Pferde und die Ladung kümmern solle, die noch auf dem Weg stünde, blieb Lothar stehen und warf einen raschen Blick zur Herdstelle.
Einen Atemzug lang kreuzten sich ihre Blicke. Garsendes Herzschlag setzte aus. Dann hatte er sich abgewandt und raunte dem blonden Mann etwas zu.
Wie festgefroren starrte Garsende seinen Rücken an. Hatte sie in seinen Augen wirklich Furcht gesehen? Wovor sollte er sich fürchten? Vor ihr?
Der Gedanke war lachhaft.
Als sie sich vom Anblick seines Rückens losriss, bemerkte sie, dass die Burggräfin sie mit nachdenklich gerunzelter Stirn anschaute.
»Du kennst diesen Mann«, sagte sie leise. »Ich habe ihn vor deiner Hütte gesehen. Ihr standet eng …« Errötend verstummte sie und senkte die Lider.
›… umschlungen‹, beendete Garsende stumm ihren Satz. Wie oft hatte sie darum gebetet, dass niemals jemand von dieser heimlichen Liebschaft erfahren würde, die den guten Leumund, den sie sich mühsam erkämpft hatte und der ohnehin auf tönernen Füßen stand, vollends vernichten konnte. Niedergeschlagen schloss sie für einen Augenblick die Augen.
Damals hatte sie geglaubt, die Burggräfin hätte den verräterischen Kuss nicht gesehen. Doch offenbar hatte sie sich geirrt.
»Ihr habt nie ein Wort darüber verloren«, brachte sie hervor.
Zu ihrer Erleichterung lächelte Matthäa. »So, wie du auch nie meine Geheimnisse verraten hast«, sagte sie. »Wer ist der Mann?«
Garsende seufzte. »Lothar von Kalborn.«
»Was? Der Mann, der meinen Gatten dazumal fast umgebracht hat?«, entfuhr es Matthäa, und sie starrte mit plötzlich zornfunkelnden Augen zu Lothar hinüber.
Unwillkürlich warf auch Garsende einen Blick auf Ragnold,
Thierry und Lothar, die sich abseits der beiden Söldner Peppin und Hunfrit ein paar Armeslängen von der Kochstelle entfernt bei einem Pfeiler niedergelassen hatten. Der Welsche und Jost waren offenbar noch draußen beschäftigt.
»Ich wusste es nicht. Erst damals im Frühjahr habe ich erfahren, wer er ist«, flüsterte Garsende. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Ragnold aufgestanden war und auf die Herdstelle zusteuerte.
»Ich wollte dich nicht kränken. Du hast ja keine Schuld an …«, raunte Matthäa und brach ab, als Ragnold sie erreicht hatte.
Mit finster zusammengezogenen Brauen stierte er Garsende an. »Wie es scheint, hast du dich mit Judenpack zusammengetan, Drude.«
›Joschua!‹, dachte sie erschrocken. Allmächtiger! Hatten die Männer ihn doch erwischt?
»Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht«, gab sie kühl zurück.
»Du weißt sehr wohl, von wem ich rede«, knurrte Ragnold. »Der Kerl hat mir den Kämmerer auf den Hals geschickt. Wie ist sein Name?«
Heilige Jungfrau, hab Dank! Er ist entkommen.
Um ihm ihre Erleichterung nicht zu zeigen, starrte sie Ragnolds schiefe Nase an und sagte laut:
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