Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
Burggräfin zu entführen, um ihren Gatten in Schach zu halten, ohne zu bedenken, welche Unruhe das in Worms auslösen würde?« Seine Erheiterung nicht verbergend, schüttelte Lothar den Kopf. »Und Le Grand Seigneur ließ Ragnold daraufhin in Speyer antreten und las ihm die Leviten, habe ich recht?«
Als Thierry grinste, lachte Lothar. »Süße Jungfrau. Und dann bekommt er auch noch einen Mann wie mich an seine Seite gesetzt.« Er lachte erneut, doch dann runzelte er nachdenklich die Stirn. »Ich habe Order, Le Grand Seigneur meine Aufwartung zu machen, konnte Ragnold jedoch noch nicht dazu bewegen, mir seinen Aufenthaltsort in Speyer zu nennen. Der große Mann käme ohnehin in nächster Zeit nach Worms herauf, meint er, da könne ich mir die Mühe sparen. Offenkundig gefällt er sich darin, als Einziger zu wissen, wer der Mann hinter dem Titel ist.«
»Ragnold knurrt jedermann an, von dem er glaubt, er könne sich womöglich als der bessere Kopf in Worms erweisen«, erwiderte Thierry mit einem schiefen Lächeln. »Mich hält er offenkundig für zu jung, um ihm den Rang streitig zu machen, doch was Euch betrifft … Nun, immerhin eilt Euch ein gewisser Ruf voraus. Falls es Euch aber ein Trost ist: Ich kenne Le Grand Seigneur auch nicht von Angesicht. Ich hörte nur, er sei der Sohn …«
Matthäa stieß einen leisen Warnlaut aus, und Garsende wirbelte herum.
»Mein Becher ist leer, Weib!«
Verdammnis! Wieder war es dem feisten Hunfrit gelungen, sich dicht an sie heranzupirschen, ohne dass sie es bemerkt hatte. Ehe sie sich versah, hatte er einen Arm um sie geschlungen, presste sie an seinen Leib und rieb sich an ihr, während seine Lippen feucht über ihr Gesicht streiften. Vor Abscheu schoss ihr das Blut in die Wangen, und sie biss
ohne nachzudenken zu. Dann stieß sie ihn mit aller Kraft von sich.
»Zum Teufel!«, keuchte er, wischte sich über die blutende Lippe und schien nach ihrem Arm greifen zu wollen, als ein scharfes » Assez! « ihn zurückhielt.
»Du hast deine Befehle, Mann! Oder willst du eines Weibsbilds wegen auf deinen Lohn verzichten?«, rief Thierry ärgerlich. Lothar hingegen bedachte den Söldner mit einem Kopfschütteln, als bedaure er dessen Torheit.
Einen Lidschlag lang schien Hunfrit mit sich zu ringen. Schließlich zuckte er mit den Schultern, bückte sich, um einen Apfel aus dem Korb neben der Herdstelle zu klauben, und schlenderte gemächlich zu Peppin zurück.
Mit ihrem Zorn und dem Zittern kämpfend, das ihr noch immer in den Gliedern steckte, wischte Garsende Hunfrits Blut von ihren Lippen. Als sie Matthäas Hand auf ihrer Schulter spürte, drehte sie sich um.
Die Augen dunkel vor Besorgnis und Mitgefühl, sah die Burggräfin sie an. »Ich hoffe, das hat genügt, und dieser widerwärtige Mensch lässt dich von nun an in Frieden«, flüsterte sie.
Garsende seufzte. »Vielleicht«, murmelte sie. Doch im Stillen bezweifelte sie es.
Es dauerte ein Weilchen, bis es ihr gelungen war, ihr aufgewühltes Gemüt zu beruhigen und ihre Aufmerksamkeit wieder auf Lothar und den jungen Welschen zu richten, die ihr unterbrochenes Gespräch offenbar wieder aufgenommen hatten.
»… doch ich frage mich, worauf er wohl noch wartet?«, hörte sie Lothar bemerken. »Es ist Juli. Wenn er noch lange zögert, ist das Jahr zu fortgeschritten, um noch ins Feld zu ziehen.«
»Wie ich schon sagte: Noch immer stehen Lieferungen
aus, die uns versprochen wurden.« Thierry zuckte mit den Schultern. »Einige der Edlen in Burgund zögern noch immer, doch wenn Le Grand Seigneur die Lanze erst in seinen Händen hält, wird jedermann seinen Anspruch auf das Königreich anerkennen.«
»Die Lanze …« Lothars Stimme klang eigentümlich tonlos. »Er wartet auf die Heilige Lanze.«
Garsende stockte der Atem. Heilige Jungfrau! Hatte sie sich verhört?
Doch neben ihr sog Matthäa scharf den Atem ein. Auch sie hatte es offenbar gehört.
Die Heilige Lanze … Anspruch auf ein Königreich … auf welches Königreich? … Herr im Himmel, was ging hier nur vor? Wo waren Matthäa und sie da nur hineingeraten? … Wenn das Kleinod die Heilige Lanze war …
Fröstelnd drehte sie sich zu Matthäa um, die ihren Blick starr erwiderte.
»Die Heilige Lanze … Allmächtiger! Wir werden diesen Ort nicht lebend verlassen«, hauchte die Burggräfin. Zu verstört, um ihren flüchtenden Gedanken etwas Tröstliches abzuringen, nickte Garsende.
Als ein Quietschen verriet, dass die Tür geöffnet wurde, zuckten beide Frauen
Weitere Kostenlose Bücher