Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
über die stoischen Züge des Marschalks. »Herr, was ist hier eigentlich im Gange?«
»Ein teuflisches Spiel«, knurrte Bandolf, ehe er in die Zügel griff und sein Pferd durch das Burgtor lenkte.
Zu Bandolfs Verdruss hatte König Heinrich entschieden, dass der junge Schreiber des Burggrafen im Gewahrsam des
Klosters verbleiben müsse, solange seine Unschuld nicht erwiesen und seine Zugehörigkeit nicht geklärt sei. Doch solle es dem Burggrafen gestattet werden, mit ihm zu sprechen, wann immer er das für nötig erachte. Da Abt Hademar noch am Hof des Königs weilte, hatte der Erzbischof von Bamberg dem Prior von Sankt Mauritius eine entsprechende Weisung überbringen lassen.
Grimmig dachte Bandolf, dass er es nicht nur für dringend nötig erachtete, mit seinem jungen Schreiber zu sprechen. Auch mit dem Prior hatte er noch einen Strauß auszufechten, und dieses Mal würde es Bruder Ordlaf nichts nützen, sich hinter der Robe seines Abts zu verschanzen.
Kaum hatte der Burggraf den Karrenweg nach Egininkisrod erreicht, gab er seinem drängenden Gefühl von Eile nach und gab seinem Pferd die Sporen. Erschrocken sprangen ihm die Bauersleute aus dem Weg, als er durch das Dorf preschte. Nachdem er jedoch den Galgen an der Wegkreuzung passiert hatte, an dem noch immer die zerfledderte Leiche des Wilderers baumelte, und in den Waldweg zum Mittelberg eintauchte, musste er den Lauf seines Gauls bremsen. Überhängende Zweige, herabgefallene Äste und von Laub und Tannennadeln überdeckte Unebenheiten im Boden erschwerten ein rasches Vorankommen zu Pferd. Dennoch sah er kurze Zeit später die Anhöhe zwischen den Bäumen auftauchen, auf der das Kloster Sankt Mauritius thronte.
»Prior Ordlaf ist derzeit nicht zu sprechen.«
Mit einem Schnauben, das ebenso seinen Groll wie seine Ungeduld verriet, trat Bandolf näher an das Gitter heran, das in die obere Hälfte der Klosterpforte eingelassen war.
Die spitze Nase des Pförtners, die zwischen dem Gitter zu ihm herausspähte, zuckte zurück.
»Ich bedaure, Burggraf«, beteuerte er. »Ihr müsst zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen.«
»Wenn du noch länger eine Pforte haben willst, an der du Wache halten kannst, Mönch, dann lässt du mich passieren«, knurrte Bandolf.
Der Pförtner schien seinen Gesichtsausdruck richtig zu deuten. Die spitze Nase hinter dem Gitter verschwand, und gleich darauf schwang die Pforte auf.
Die Hand am Knauf seines Schwerts, baute sich Bandolf vor dem Mönch auf. »Und jetzt bringst du mich zum Prior«, verlangte er.
»Aber … wie ich schon sagte … Prior Ordlaf ist verhindert. «
»Ich habe weder Lust noch Muße für die Versteckspiele deines Priors«, presste Bandolf zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Und wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, wo ich …«
»Wartet!«, unterbrach ihn der Ruf einer hellen Stimme.
Als Bandolf sich umdrehte, sah er Bruder Wynstan aus der Richtung des Kreuzgangs auf sich zulaufen.
»Dem Himmel sei Dank, dass Ihr hier seid«, keuchte der junge Mönch atemlos, als er Bandolf erreicht hatte.
»Der Burggraf möchte zum Bruder Prior«, erklärte der Pförtner, noch ehe Bandolf sich über den tief beunruhigten Ausdruck in Bruder Wynstans Gesicht wundern konnte. »Sag du ihm, dass Prior Ordlaf nicht hier ist, Bruder. Mir will er es nicht glauben.« Die spitze Nase empört gerümpft, drehte er sich um und zog sich auf seinen Posten bei der Pforte zurück.
»Der Prior ist nicht hier?«, entfuhr es Bandolf. »Wo, zum Teufel, steckt der Kerl?«
Seufzend hob Bruder Wynstan seinen karottenfarbenen Schopf. »Wir wissen es nicht«, gestand er.
»Was willst du damit sagen?«
»Kurz vor der Messe zur Sext klopfte ein Knecht ans Tor und sagte, er hätte eine Nachricht für Prior Ordlaf, die er nur dem Prior selbst übergeben dürfe«, berichtete der junge Mönch. »Kaum hatte der Knecht seine Botschaft überbracht, sah Bruder Nothelm den Prior in Prosperius’ Zelle gehen. Als er wieder herauskam, sei er bleich wie ein Leichentuch gewesen, meinte Bruder Nothelm. Und gleich darauf verließ Bruder Ordlaf das Kloster, ohne jemandem zu sagen, wohin er ginge.« Wynstan seufzte erneut. »Weder zur Messe noch zum Mittagsmahl kam er zurück. Und nun wissen wir nicht …« Mit einem hilflosen Schulterzucken verstummte er.
Grübelnd kniff Bandolf die Augen zusammen. »Er muss es herausgefunden haben«, murmelte er.
Mit wenigen Schritten war er beim Pförtner. »Hast du den Knecht gefragt, wer ihn
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