Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
als Bruder Adelbald zu Boden ging.
Noch sieben Schritte.
»… und als sich Stephan wieder aufrichtete, steckte sein Dolch in Adelbalds Brust …«
»… ein Missgeschick …«
›Und eines, das du liebend gerne ungeschehen gemacht hättest‹, dachte Bandolf. Noch fünf Schritte …
Einen Herzschlag später bemerkte der Burggraf, dass Tidread aufgehört hatte zu reden. Alarmiert eilte er die letzten Schritte voran. Eine schattenhafte Gestalt löste sich aus der Dunkelheit, stürzte auf die Fackel zu. Just, als er sich in die Nische warf, sah er noch aus dem Augenwinkel, wie Tidread die Fackel ergriff.
War ihm die Täuschung geglückt? Es schien so.
Tidread musste überzeugt davon sein, dass Bandolf sich weit in den Gang zurückgezogen hatte. Würde er glauben, dass sein Gegner in der Nähe des Eingangs stünde, hätte er nicht gewagt, in den Lichtkreis zu treten und nach der Fackel zu greifen. Er hätte befürchten müssen, dass der Burggraf sich auf ihn stürzen würde, sobald er ihn sehen konnte.
Der Fackelschein huschte über die Wände, und mit einem Mal wehte Bandolf auch der eigentümliche Fischgeruch in die Nase.
Tidread musste den Gang just betreten haben.
Mit angehaltenem Atem lauschte Bandolf.
Da! Der bedachtsame Tritt von Stiefeln auf felsigem Boden. Wie weit entfernt noch? Vier Schritte? Drei?
Bandolf spannte die Muskeln an.
Ein unförmiger Schatten fiel auf den Boden vor der Nische. Farben leuchteten auf der gegenüberliegenden Höhlenwand auf und spiegelte sich in einer Pfütze.
Der Schatten nahm Gestalt an.
Bandolf sprang.
KAPITEL 28
S ein stämmiger Körper traf den Sachsen mit voller Wucht, doch der eigene Schwung riss Bandolf mit, und beide Männer gingen zu Boden.
Noch im Fallen spürte der Burggraf den Luftzug von Tidreads Dolch, der an seinem Ohr vorbeifuhr, und hörte das Klappern, als die Fackel zu Boden fiel. Ineinander verkeilt wälzten sich die Männer über das schroffe Gestein. Obwohl um einige Handbreit kleiner als der Burggraf, besaß der Sachse einen wuchtigen Körper, an dem nichts Weichliches war. Tidreads rechter Arm war frei. Hingegen hatte sich Bandolfs rechter Arm im linken des Sachsen verhakt. Der Dolch des Sachsen blitzte auf, als Bandolf Tidreads Handgelenk zu fassen bekam und auf den Boden schmetterte. Mit einem verbissenen Stöhnen ließ er die Waffe fallen. Bandolfs Sieg währte keinen Augenblick. Vor Schmerz jaulte er auf, als Tidreads mit Wucht hochgezogenes Knie sein Gemächt streifte. Tränen schossen ihm in die Augen. Für einen Moment konnte er noch die verbissenen Züge des Sachsen sehen, im nächsten wurde es stockdunkel.
Die Fackel musste in eine Pfütze gerollt sein und war erloschen.
Auf einen Schlag schien es kein Oben und Unten mehr zu geben, nur noch Geröchel und Keuchen und Schmerz in seinen Lenden.
Mit zusammengebissenen Zähnen wälzte Bandolf sich zur Seite. Wo, zum Teufel, war sein Dolch? Wann hatte er
die Waffe verloren? Just versuchte er, sich aufzurichten, als Tidread sich mit einem Knurren auf ihn warf. Unwillkürlich zog Bandolf die Beine an. Der Sachse, ebenso blind wie er, kam nur halb auf ihm zu liegen und stieß ihm dabei schmerzhaft seinen Ellbogen zwischen die Rippen. Bandolfs Arm war unter Tidreads kräftiger Brust begraben, aber den linken hatte er noch frei. Mit einem Knurren holte er aus und rammte seine Faust mit aller Kraft in Tidreads Seite.
Ein kehliges Stöhnen, ein Ruck, und der Sachse rollte von ihm herunter. So schnell er konnte, rappelte Bandolf sich auf und warf sich rittlings auf ihn.
Erst als er Tidreads breite Schultern packte, um ihn am Boden zu halten, spürte er, dass der schwere Leib unter ihm erschlafft war.
Eine List, schoss es Bandolf durch den Kopf. Wenn er seinen Griff lockern würde …
Angespannt horchte er, spürte einer möglichen Bewegung nach, doch in dem Leib unter ihm regte sich nichts. Schließlich verlagerte er langsam sein Gewicht, bis sein Knie Tidreads Brust niederdrückte, während er nach dem Kopf des Sachsen tastete. Widerstandslos rollte er zur Seite, und als Bandolf seine Hand zurückzog, spürte er eine zähe Nässe an den Fingern kleben.
Dennoch vergingen Augenblicke, bis er zu dem Schluss gekommen war, dass Tidread sich den Kopf gestoßen haben musste, als er von ihm heruntergerollt war.
Lebte er noch? War er tot?
Zähneknirschend griff Bandolf nach seinem Gemächt, in dem der Schmerz noch immer pochte. Als er sich davon überzeugt hatte, dass der verfluchte Hund ihn
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